In einem offenen Brief hat die Israelitische Gemeinde Freiburg der Albert-Ludwigs-Universität in der Stadt vorgeworfen, sie unternehme nichts gegen den Antisemitismus, der sich auf dem Campus verbreite. Das Schreiben ging an die Rektorin der Uni, Kerstin Krieglstein, die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Petra Olschowski sowie die Antisemitismusbeauftragten Michael Blume (Baden-Württemberg) und Felix Klein (Bund).
In dem Brief ist von einer »untragbare Lage an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg« die Rede. Diese betreffe vor allem jüdische Studenten und solche, die sich gegen Antisemitismus engagierten.
»Mit äußerst großer Sorge und Bestürzung haben wir im Lauf des Jahres 2024 Berichte aus den Organen der Verfassten Studierendenschaft (VS) zur Kenntnis genommen«, heißt es in dem Schreiben. Eine »Einräumung einer öffentlichen Plattform« für »unwidersprochene antisemitische Stimmungsmache durch einzelne Personen und/oder antisemitische Gruppen, wie Students for Palestine« wird darin erwähnt. Die Massaker palästinensischer Terroristen in Israel würden von diesen Gruppen verherrlicht.
Ausgrenzung von Juden
Zudem würden »antisemitismuskritisch engagierte Personen und jüdische Studenten ausgegrenzt«. Eine »antisemitismuskritische wissenschaftliche Veranstaltung« sei im vergangenen Jahr kurzfristig von der Uni in die Räume der jüdischen Gemeinde verlegt worden. Zudem habe der Studierendenrat der Hochschule einen Antrag der Organisation »Students for Palestine« angenommen, der den Staat Israel delegitimiere.
Die vom selben Gremium beschlossene »Definition von anti-palästinensischem Rassismus« sei für den Versuch benutzt worden, antisemitismuskritische Tätigkeit, an der auch jüdische Studenten beteiligt gewesen seien, zu unterbinden.
Die Gemeinde warf den Leitungsgremien der Universität Untätigkeit vor: »In unserer Schutzverantwortung als Jüdische Gemeinde gegenüber jüdischen Studierenden in Freiburg bitten wir Sie hiermit dringend, diesen untragbaren Zustand an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg umgehend zu beheben bzw. in aller Entschlossenheit darauf hinzuwirken.«
»Regelmäßiger Austausch«
Nun reagierte die Universitätsleitung: Sie stehe »in regelmäßigem Austausch mit dem Vorstand der Verfassten Studierendenschaft«, wurde der Jüdischen Allgemeinen mitgeteilt. »Auch in diesem Rahmen macht die Universität Freiburg unmissverständlich deutlich, dass sie sich entschieden gegen Antisemitismus einsetzt und antisemitische, rassistische oder gewaltverherrlichende Äußerungen scharf verurteilt.«
Der Beschluss der VS sei thematisiert worden. Deren Vorstand werde »zeitnah« die Rücknahme des Beschlusses »im Studierendenrat zur Diskussion stellen«. Vor diesem Hintergrund habe die Universität Freiburg zunächst von formalen Schritten abgesehen, erklärte die Bildungseinrichtung gegenüber dieser Zeitung. Unklar ist, ob die Rücknahme aufgrund des offenen Briefes der Gemeinde diskutiert wird oder unabhängig davon vorgesehen war.
Auch hieß es, die Hochschule dulde keine Ausgrenzung oder gar Bedrohung ihrer Studierenden und Beschäftigten und gehe dagegen »mit allen Mitteln vor, die ihr zur Verfügung stehen«. Die Universität Freiburg habe den Schutz vor und die Prävention von Diskriminierung verbessert.
»Vertraulicher Rahmen«
»Dabei gehen wir von einem umfassenden Diskriminierungsverständnis aus, das sich gleichermaßen gegen Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit und Rassismus richtet«, schrieb eine Sprecherin der Universität, obwohl von Muslimfeindlichkeit weder die Rede war, noch entsprechende Vorfälle öffentlich bekannt wurden.
Die Albert-Ludwigs-Universität kündigte die Einrichtung einer Antidiskriminierungsberatungsstelle an, »die Betroffenen in einem vertraulichen Rahmen Beratung anbietet«. Eine Kooperation mit der Fachstelle Ofek und dem Netzwerk Jüdischer Hochschullehrender ist demnach vorgesehen.
Der Uni zufolge wird das Thema Antisemitismus auch bei Veranstaltungen behandelt. Ein Vortrag über dessen Gefahren, den Michael Blume in der Vergangenheit hielt, wurde aufgeführt. »Wir unterstützen die Mitglieder der Universität auch dabei, professionell mit den Emotionen und Konflikten umzugehen«, erklärte die Freiburger Uni.