Wenn die Parole »Free free Palestine« stundenlang gebrüllt wird - und dies mit rollendem »R« -, wie am Samstagnachmittag im östlichen Zentrum Berlins, ist das schwer zu ertragen. Denn die etwa 10.000 Demonstranten, die dies gebetsmühlenartig taten, meinten keine Befreiung Gazas von der Terrororganisation Hamas. Schnell wurde klar, dass sie eine Ein-Staaten-Lösung forderten - und zwar ohne Israel.
Am Neptunbrunnen, in Sichtweite des Roten Rathauses und des Fernsehturms, versammelten sich ab 13 Uhr zunächst Dutzende Ordner, von denen viele »Palästinenser-Schals« trugen. Auch die Zahl der Polizeibeamten am Ort der Kundgebung wuchs konstant an.
Eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn der Demonstration erklärte ein Einsatzleiter der Berliner Polizei den Organisatoren abermals die Auflagen: Das Verbrennen von Gegenständen, inklusive Israel-Flaggen, war ebenso verboten wie Gewaltverherrlichung oder Forderungen nach der Vernichtung Israels.
Das Verbot der Parole »From the river to the sea, Palestine will be free«, sowohl in verbaler als auch in schriftlicher Form, befolgten nicht alle Teilnehmer. Fahnen der verbotenen Terror-NGO Samidoun, ihrer Dachorganisation PFLP und der Terrororganisation Hamas durften nicht getragen oder gezeigt werden. Auch bestand die Polizei darauf, dass die Regeln den Demonstranten mitgeteilt wurden - auf Deutsch und Arabisch.
In der Bundesrepublik lebende Palästinenser gehörten ebenso zu den Teilnehmern wie andere Araber. Deutsch-Türken waren den mitgeführten Flaggen nach zu urteilen ebenfalls gut vertreten. Dies galt auch für Unterstützer der antisemitischen BDS-Bewegung und linksradikale Deutsche - darunter auch Kommunisten, die emsig Schriftstücke verteilten. Die »Sozialistische Gleichheitspartei« forderte auf ihren Flugblättern: »Stoppt den imperialistisch-zionistischen Völkermord in Gaza«.
Hinzu kamen spanischsprachige Protestierer, Teilnehmer aus Frankreich und sogar einige Israelis. Innerhalb der in Berlin lebenden israelischen Gemeinschaft gibt es offenbar Menschen, die kein Problem damit haben, Seite an Seite mit den erwähnten Gruppierungen zu demonstrieren.
»Schrecklich und inakzeptabel«
Einer der Israelis vor Ort, Udi Raz, war sogar einer der Organisatoren der Demonstration. »Ich demonstriere heute dafür, dass wir alle miteinander in Frieden leben können«, sagte er der Jüdischen Allgemeinen. Deutschland agiere antidemokratisch, so der junge Aktivist. Aufgrund der Unterstützung Israels wende sich die Bundesrepublik gegen die Menschenrechte - »sowohl in Palästina/Israel als auch hier in Deutschland«.
Raz war offenkundig der Einzige auf der Demonstration, der den Terror-Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober überhaupt erwähnte. Dieser sei »schrecklich und inakzeptabel«. Er fügte allerdings hinzu, dies gelte für jede Art der Gewalt - egal von welcher Seite sie komme -, und meinte damit auch Israel.
Letzteres dürfe man in Deutschland nicht sagen, erklärte Udi Raz in dem Moment, in dem er es sagte.
Für Redner auf dem Podium, darunter Vertreter der Gruppe »Palästina spricht«, ist der 7. Oktober anscheinend nie passiert. Für sie ist Israel ein »Apartheid-Staat«, der für »Unterdrückung und Tötungen« verantwortlich sei, kreischte eine Frau ins Mikrofon.
Ausbeutung und Gehirnwäsche
Die »zionistische Besatzung« bezichtigte die Rednerin »wahllose Bombardierungen« durchzuführen - und zwar »in einem der größten Freiluftgefängnisse dieser Welt«. Kein Wort von den Terror-Attacken gegen Israel am 7. Oktober oder in den 16 Jahren seit der Machtübernahme der Hamas in Gaza, kein Wort von der Ausbeutung der palästinensischen Araber durch ihre eigene Führung, der Gehirnwäsche oder des Missbrauchs der Bevölkerung als lebende Schutzschilde.
Einmal wurde die erste Kundgebung von der Polizei unterbrochen, als einige Teilnehmer auf die Neptun-Statue geklettert waren. Sie mussten herunterkommen, damit mehr Verschwörungstheorien über Israel verbreitet werden durften.
Die Berliner Polizei war mit Hunderten Beamten vor Ort. Zu ihnen gehörten auch mit gelben Westen bekleidete Mitglieder des Kommunikationsteams, denen es darum ging, mit den Veranstaltern in Kontakt zu bleiben und eine Eskalation zu verhindern.
Weiteres Propagandainstrument
»Israel bombardiert, Deutschland finanziert!« war eine weitere Parole, die Hunderte Male gerufen wurde. Ein häufiges Wiederholen von Unwahrheiten macht sie jedoch nicht wahr. Das Weglassen entscheidender Informationen, darunter auch die Anstrengungen der israelischen Streitkräfte zur Minimierung ziviler Opfer in Gaza während des Anti-Terror-Krieges, war ein weiteres Propagandainstrument, dem sich die Redner bedienten.
Später setzte sich der Demonstrationszug schließlich in Bewegung. Passanten auf der Friedrichstraße, die sich mit etwas Glühwein auf die näher rückenden christlichen Festtage einstimmen wollten, wurden durch das Gekreische israelfeindlicher Parolen um die Gemütlichkeit gebracht, die sie suchten.
Am Potsdamer Platz waren Besucher eines Vorweihnachtsmarktes, darunter Touristen und Einheimische, überrascht, als zunächst unzählige Mannschaftsfahrzeuge der Polizei und dann Tausende israelfeindliche Demonstranten die große Kreuzung füllten.
Laut Polizei verlief die Demo weitgehend friedlich. Es kam zu einigen Festnahmen. Mindestens zwei Journalisten wurden bedrängt. Teilnehmer wollten einigen von ihnen Aufnahmen verbieten, obwohl diese laut Gesetz bei Demonstrationen erlaubt sind. Dazu gehörte ein Herr, dessen Schild diese Aufschrift trug: »Deutsche Staatsräson: Beihilfe zum Genozid im Namen von Nie wieder Genozid«.
»Queers for a free Palestine«
Auf einem weiteren Transparent wurde das diese Woche ergangene Verbot von Samidoun kritisiert: »Hände weg von Samidoun! Nieder mit dem Verbot aller palästinensischen Organisationen!«. Zwar wurden gar nicht alle Organisationen verboten, doch Fakten zählten bei dieser Demonstration nicht. Es ging um Hass gegen den einzigen jüdischen Staat auf der Welt, der bei der jüngsten Terror-Attacke der Hamas 1400 Bürger verlor. Die Hamas schlachtete sie in Massakern ab, was hier niemanden interessierte.
Unter den Teilnehmern waren auch Mitglieder der LGBTIQ-Community, die Schilder mit der Aufschrift »Queers for a free Palestine« trugen. Ob sie wussten, was die Hamas mit Homosexuellen macht? Vermutlich nicht.
Gewalttätig wurden Pro-Terror-Demonstranten später im Stadtteil Neukölln. Laut »Bild« kam es zu einem Angriff auf Polizisten mit einer Kugelbombe. Zwei Beamte sollen ein Knalltrauma erlitten haben.