Meinung

Israel wird weltlicher

Die Wahrscheinlichkeit, dass in Israel der alte Premierminister auch der neue sein wird, ist sehr hoch: Und doch hat diese Knessetwahl die politische Landschaft gründlich umgestaltet. Bei den Koalitionsverhandlungen, die in diesen Tagen beginnen, könnte nämlich erstmals seit sehr langer Zeit eine Regierung zustande kommen, die auf den »Block der Frommen« verzichtet. Das bedeutete die Chance für Israel, potenziell gefährliche Zäsuren zu überwinden: zwischen Frommen und Weltlichen, Juden und Arabern. Es wäre ein großer Beitrag zu einer säkularen Normalisierung des jüdischen Staates, und den könnte man dann auch ruhig eine gesellschaftliche Revolution nennen.

Es geht um die gerechte Verteilung der Lasten. Für diese stehen gerade die neuen Gesichter in der israelischen Politik: der »rechte« Naftali Bennett wie der »linke« Yair Lapid. Beispielsweise gilt es, einen allgemeinen Wehrdienst für alle jungen Bürger Israels durchzusetzen. Sowohl von diesem »Dienst für die Nation« entbundene orthodoxe Juden als auch Araber sollten eingezogen werden – entweder zum Dienst mit der Waffe oder zu einem zivilen Dienst an der Gesellschaft. Das wäre eine Integration vieler Ultraorthodoxer in das zionistische Projekt.

weichenstellung Und es wäre auch eine wichtige Weichenstellung für die 20 Prozent arabischen Israelis. Diese Gruppe von immerhin 1,2 Millionen Menschen fühlt sich nämlich diskriminiert, weigert sich aber bislang, staatsbürgerliche Pflichten zu erfüllen. Auch eine Kürzung des Kindergeldes würde gleichermaßen die Araber und Ultraorthodoxen treffen. Die übergroße Mehrheit der Israelis ärgert sich nämlich, dass die Orthodoxen und die in Armut lebenden Araber keine Steuern bezahlen und sich gleichwohl vom verhassten zionistischen Staat ihren ungezügelten Kindersegen finanzieren lassen.

Schon im Wahlkampf zeigte sich, dass es diese Fragen von sozialer und politischer Gerechtigkeit sind, die im Vordergrund der Debatte stehen. Wenn es der zu bildenden Koalition – unabhängig davon, wer letztlich Regierungschef wird – gelingt, hier mehr Gerechtigkeit durchzusetzen, könnte ein stärkeres, weil geeintes Israel entstehen, das sich mit mehr Selbstvertrauen den Herausforderungen aus der arabischen und islamischen Welt stellt. Die israelischen Wähler haben sich als sehr weise erwiesen.

Der Autor ist freier Journalist in Jerusalem.

Thüringen

KZ-Gedenkstätten prüfen Rückzug von der Plattform X 

Das von Elon Musk übernommene soziale Medium gefährde des Zusammenhalt demokratischer Gesellschaften

 11.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Alice Salomon Hochschule

Nach Besetzung: Hochschulleitung soll Journalisten behindert haben

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung

 10.01.2025 Aktualisiert

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Interview im "Playboy"

Marcel Reif: Antiisraelische Hetze bei Demos ist Judenhass

»Ich hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaat viel schneller und viel härter eingreift«, sagt der Sportkommentator

 10.01.2025

USA

Kreuzritter 2.0? - Ein designierter US-Verteidigungsminister mit Kreuz(zug)-Tattoo

Pete Hegseth steht wegen seiner Tätowierungen in der Kritik. Angeblich symbolisieren sie eine Kreuzzugsideologie. Was hinter Jerusalemkreuz und Co. steckt

von Andrea Krogmann  10.01.2025

USA

Los Angeles: Auch jüdische Stars verlieren Häuser

Dazu gehören Adam Brody und Steve Guttenberg, der den Behörden half, Bewohner zu evakuieren

 10.01.2025