Herr Stein, an diesem Donnerstag finden in Berlin die deutsch-israelischen Regierungskonsultationen statt. Werden die Meinungsverschiedenheiten nach der UN-Palästina-Abstimmung die Gespräche bestimmen?
Israel und Deutschland haben trotz ihrer einzigartigen Beziehungen vier Jahrzehnte gebraucht, bis sie die Regierungskonsultationen – mit einer hohen Symbolkraft – eingeführt haben. Das ist etwas, was über die Zeit und das aktuelle Geschehen hinaus hervorgehoben werden muss. Und auch, wenn die Konsultationen diesmal vor dem Ausgang der UN-Abstimmung stattfinden, hoffe ich, dass es Anlass zum offenen und kritischen Meinungsaustausch gibt. Dabei haben beide Seiten Gelegenheit, Klarheit über ihre Positionen zu schaffen, unabhängig davon, ob man in den einzelnen Fragen übereinstimmt oder nicht.
Wie bewerten Sie das Abstimmungsverhalten der Bundesrepublik in der UNO?
Ich kann das deutsche Unbehagen über die Tatsache, dass in den vergangenen Jahren kein Fortschritt im Friedensprozess erzielt wurde, verstehen. Andererseits stellt die deutsche Enthaltung in der UN-Abstimmung eine Abweichung von der prinzipiellen Haltung der Bundesrepublik dar, derzufolge man sich gegen einseitige Maßnahmen aussprach. Diese Position hat Deutschland einige Zeit verfolgt, auch noch im vergangenen Jahr in der UNO.
Was sagen Sie zur deutlichen Kritik der Bundesregierung am Siedlungsbau?
Ich wäre froh gewesen, wenn die israelische Regierung als Antwort auf New York eine große Friedensinitiative vorgestellt hätte. Das ist im Moment nicht zu erwarten. Ich glaube auch, dass die nun verkündeten israelischen Gegenmaßnahmen am Ende nicht im Interesse Israels sind. Es ist davon auszugehen, dass Deutschland auch in Zukunft die Siedlungspolitik kritisch begleiten wird. Man kann hoffen, dass dies nicht die grundsätzliche politische Einstellung der Bundeskanzlerin wird, die Israels Sicherheit zur Staatsräson erklärt hat.
Wie sehen Sie die Zukunft der deutsch-israelischen Beziehungen?
Israels Ziel muss sein, die Kontakte nach Deutschland zu intensivieren. Es ist meine feste Überzeugung, dass Deutschland ein strategischer Partner für Israel ist. Israel braucht Deutschland in bilateraler Hinsicht, aber auch im Rahmen der Europäischen Union. Die Erinnerung an die Schoa, die eine Säule der Beziehungen ist und bleiben wird, ist für die Zukunft nicht ausreichend, diese Beziehungen aufrechtzuerhalten und sie zu vertiefen.
Was ist Ihrer Meinung nach zu tun?
Regierungskonsultationen sollten auch Anlass sein, neue Bereiche gemeinsamer Interessen zu identifizieren, damit die Beziehungen eine tragfähige Zukunft haben. Seit den letzten Konsultationen ist Zeit vergangen. Jetzt muss Bilanz gezogen werden, welche Entscheidungen umgesetzt, welche Projekte implementiert wurden. Und es gilt, zu vereinbaren, was in Zukunft in die Tat umgesetzt werden kann.
Mit dem ehemaligen Botschafter Israels in Deutschland sprach Detlef David Kauschke.