Der Islamwissenschaftler Michael Kiefer sieht ebenso wie der Verfassungsschutz eine erhöhte Gefahr für islamistische Anschläge in Deutschland. Seit dem Überfall der Hamas auf Israel am 7. Oktober habe sich die Gefährdungslage deutlich verschärft, sagte Kiefer in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Die Anschlagspläne der am Dienstag festgenommenen beiden Jugendlichen hätten Kenner der Szene nicht überrascht: »Es ist zu befürchten, dass da noch mehr läuft.«
Am Dienstag hatte die Polizei in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zwei 15 und 16 Jahre alte Terrorverdächtige festgenommen. Sie sollen aus Tschetschenien und Afghanistan stammen und einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Leverkusen geplant haben.
Kein neues Phänomen
Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, hatte am Mittwoch gesagt, die Gefahr einer islamistischen Gewalttat »ist real und so hoch wie schon lange nicht mehr«. Am Donnerstag wurde bekannt, dass Einsatzkräfte bereits am 21. November einen 20-jährigen Iraker festgenommen haben. Er soll möglicherweise einen Anschlag auf den Weihnachtsmarkt Hannover geplant haben.
Das jugendliche Alter der Beschuldigten sei kein neues Phänomen, sagte der Professor am Institut für Islamische Theologie der Universität Osnabrück. Junge Menschen seien leichter zu manipulieren.
Er vermute, dass der Islamische Staat (IS) und andere islamistische Terrorgruppen Jugendliche gezielt für Anschläge rekrutierten und ausbildeten.
Die Beteiligung von Tschetschenen ist Kiefer zufolge ebenfalls nicht neu. »Das ist die härteste Gruppe überhaupt.« Dort seien schon mehrere Generationen radikalisiert. Die Väter der heutigen tschetschenischen Terroristen hätten schon in Tschetschenien und Bosnien gekämpft. Viele Führungspersönlichkeiten des IS seien Tschetschenen gewesen, sagte der Experte für Radikalisierung und Radikalisierungsprävention. Diejenigen, die sich in Deutschland aufhielten, stünden schon lange unter Beobachtung.
Kiefer stellte den Behörden ein gutes Zeugnis bei der Bekämpfung des islamistischen Terrors und der Verhinderung von Anschlägen aus.
Die jüngste Festnahme zeige, dass sie die Gefährder im Blick hätten.
Die Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg funktioniere professionell. Darauf deute die Tatsache hin, dass der Hinweis von einem ausländischen Geheimdienst stamme. Eine spezielle Gefährdung für Weihnachtsmärkte sieht der Islamexperte nicht. »Wir sollten die Gefahr nicht größer machen, als sie ist.« epd