Die aktuelle Zuwanderungsbilanz gibt Anlass, darüber nachzudenken, welche Schlüsse Deutschland aus den Erfahrungen der letzten großen humanitären Aufnahmeaktion gezogen hat. Zwischen 1991 und 2006 fanden rund 227.000 jüdische Zuwanderer und ihre Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion Aufnahme in Deutschland als sogenannte Kontingentflüchtlinge.
Durch die teilweise Nichtanerkennung der im Herkunftsland erworbenen Abschlüsse, die trotz stets wiederholt behauptetem Fachkräftemangel fehlende Akzeptanz am Arbeitsmarkt und den dadurch bedingten Bruch der Erwerbsbiografien fehlen diesen Menschen bis heute die für eine Rente notwendigen Jahre der Zugehörigkeit zum deutschen Rentenversicherungssystem. Selbst diejenigen, die eine Integration in den Arbeitsmarkt erreicht haben, erzielen kein ausreichendes Versorgungsniveau, um ohne Grundsicherung im Alter auszukommen. Im Herkunftsland erworbene Altersrenten werden meist auf die Grundsicherung angerechnet. Die älteren Zuwanderer bleiben bis zu ihrem Lebensende von Sozialleistungen abhängig.
leistungsträger Trost finden sie in der gelungenen Integration ihrer Kinder. Diese haben sich als bildungsaffin und aufstiegsorientiert erwiesen und sind als Leistungsträger in der Mitte der deutschen Gesellschaft, der Arbeitswelt und den jüdischen Gemeinden angekommen. Die jüdische Community hat einen Großteil zu dieser, wenn auch zum Teil erst in der zweiten Generation, erfolgreichen Geschichte beigetragen und die Zuwanderung als Chance begriffen.
Aktuell sehen wir die nächste große Einwanderung. Deutschland hat aus den Erfahrungen gelernt und günstigere Rahmenbedingen geschaffen. Die heutigen Zuwanderer treffen auf eine verbesserte Rechtslage bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, dem Anspruch auf Sprachkurse und der Begleitung der Integration. Wieder redet man von Fachkräftemangel. Günstige Voraussetzungen für eine gelungene Integration, sollte man meinen. Den Slogan der Kanzlerin – »Wir schaffen das« – wahr zu machen, liegt jetzt nicht nur in den Händen der »Aufnahmegesellschaft«, sondern auch in der Verantwortung der Zuwanderer und ihrer ethnischen Communities. Wir hoffen auf eine gemeinsame, vielfältige, tolerante und demokratische Zukunft.
Der Autor leitet das Berliner Büro der Zentralwohlfahrtsstelle.