Potsdam

In der Tradition des liberalen deutschen Judentums

Foto: Gregor Matthias Zielke

Zu einem Erinnerungsabend an Rabbiner Nathan Peter Levinson sel. A. hatte die nach ihm benannte Stiftung am Donnerstag ins Audimax der Universität Potsdam geladen. Die Stiftung ist Trägerin sowohl einer liberalen als auch einer konservativen Ausbildung jüdischer Geistlicher. Stifter ist der Zentralrat der Juden in Deutschland.

Zentralratspräsident Josef Schuster würdigte an diesem Abend den 2016 verstorbenen Levinson als einen der großen Rabbiner und Akteure der Nachkriegszeit. Schuster erzählte, dass Levinson nicht nur ein Vertrauter seines Vaters, eine geistliche Stütze und ein Freund der Familie war. »Als Liberaler war er der Hausrabbiner unseres eher traditionellen Haushalts.« Auch ihm persönlich sei Levinson ein wichtiger intellektueller Ratgeber gewesen.

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Levinson sei es nicht um Dogma, sondern um Erkenntnis und das Miteinander gegangen. Der Rabbiner habe für die Verbindung von freiem Denken und Zusammenhalt gestanden. Die Einheit des Judentums sei dabei nicht selbstverständlich, sie müsse in jeder Generation immer wieder neu ausgehandelt werden. »Die Einheit des Judentums, das war ihm bewusst, konnte nur ein Ort sein, der mehrere Perspektiven zulässt«, so Schuster.

Auch Dmitrij Belkin, Vorstand der Stiftung, sprach vom Verbindenden im Leben von Rabbiner Levinson. Dies sei auch für die Gegenwart und Zukunft der Stiftung von Bedeutung. »Wir wollen tatsächlich etwas aufbauen, was als eine Einheit funktionieren wird.«

Belkin erläuterte, dass drei Ausbildungsinstitute unter dem Dach der Stiftung versammelt sind: das Regina-Jonas-Seminar für die liberale Rabbinerausbildung, das Abraham-J.-Heschel-Seminar für die konservative Rabbinerausbildung und das Louis-Lewandowski-Seminar für die Kantorenausbildung.

»Die Einheit des Judentums, das war ihm bewusst, konnte nur ein Ort sein, der mehrere Perspektiven zulässt.«

Einen ausführlichen Überblick über das Leben und Wirken von Rabbiner Levinson gab der Historiker und Gründungsdirektor der »Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum«, Hermann Simon.

1921 wurde Nathan Peter Levinson, damals hieß die Familie noch Lewinski, in Berlin geboren. Gleich nach dem Abitur nahm er 1940 das Studium an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums auf. 1941 gelang ihm und seiner Familie die Flucht in die USA. Dort absolvierte er seine Rabbinerausbildung am Hebrew Union College in Cincinnati.

Nach der Schoa kehrte er 1950 nach Berlin zurück, war später maßgeblich an der Gründung der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg beteiligt und wurde zu einer wichtigen Stimme der jüdischen Gemeinschaft der Bundesrepublik. Ab Mitte der 1980er-Jahre lebte er auf Mallorca und in Jerusalem. 2016 verstarb er in Berlin.

Simon hob hervor, dass Levinson in seinem wechselvollen Schicksal die Tradition des liberalen deutschen Judentums gewahrt und sie auf verschiedenen Kontinenten bewahrt habe: »Toleranz und Engagement für die Werte des Judentums waren ihm in Anknüpfung an Moses Mendelssohn dabei immer oberstes Gebot.«   

Sharon Levinson war eigens für diesen Abend aus Mallorca angereist. Sie sagte, dass dies für sie »ein bewegender Anlass« sei, und dass sie persönlich als Tochter sprechen wolle. So erzählte sie beispielsweise, dass ihr Vater bereits als kleiner Junge auf einen Stuhl gestiegen sei, um zu predigen. Er habe bereits als Kind seine Berufung gefunden. »Er wollte zu den Menschen sprechen und gehört werden«, meinte Sharon Levinson.

»Nathan Peter Levinson steht für all das Gute und Ehrliche, das ich mit dem liberalen Judentum verbinde.«

Ihr Vater sei als Rabbiner ein den Menschen und seinen Gemeinden zugewandter Redner und Rhetoriker gewesen. Er sei in der Lage gewesen, Menschen Halt und Zuversicht zu geben. Darüber hinaus habe er dafür sorgen wollen, dass es in Deutschland wieder ausreichend Lehrer und Rabbiner gibt, um jüdisches Leben für die Zukunft zu sichern.

Mit der nach ihm benannten Stiftung gehe nun sein Lebenstraum posthum in Erfüllung, betonte die Tochter: »Ich würde mir wünschen, dass die künftigen Studenten und Absolventen dieses Seminars ebenso um das Fortleben der jüdischen Tradition bemüht sein werden, wie mein seliger Vater.«

Zentralratspräsident Josef Schuster war sich dann sicher, dass ein solcher Abend dem Rabbiner, der den Diskurs, das Gespräch und das Lernen liebte, gefallen hätte. Gleiches gelte für die Arbeit der Stiftung, die seinen Namen trägt.

Er freue sich, so Schuster, dass der Zentralrat das Erbe Levinsons wieder in den Mittelpunkt der jüdischen und gesellschaftlichen Debatten rücke. »Nathan Peter Levinson steht für all das Gute und Ehrliche, das ich mit dem liberalen Judentum verbinde.« Die Verantwortlichen der Stiftung forderte Schuster auf: »Geben Sie auf dieses Erbe hier in Potsdam bitte Acht – wir helfen dabei, wo und wie wir können.« ddk

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