Die Zielgruppe Polizei ist von Rechtsradikalen schon vor Jahren benannt worden: »Warum Polizisten AfD wählen« heißt ein kleines, 2020 erschienenes Büchlein, in dem mehrere Polizeibeamte die Freundschaft zur AfD untermauerten, viele von ihnen Mandatsträger. Enthalten waren Verschwörungstheorien wie die, dass die Polizei gegen eine »bestimmte kriminelle Klientel aus politischen Gründen nicht vorgehen darf«.
Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel, ein Polizeibeamter, relativierte die rassistischen Ausschreitungen Anfang der 90er-Jahre in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen mit den Überforderungen der Ostdeutschen nach dem Zerfall der DDR und den »neuen, nicht immer erfreulichen Erfahrungen der multikulturellen Gesellschaft«.
Als eines der zentralen Ergebnisse heißt es, dass Rassismus und Antisemitismus bei der Polizeiausbildung kaum Thema seien.
Jetzt befasste sich der »Mediendienst Integration« mit der Frage, was Bund und Länder gegen Rassismus, Antisemitismus und Antiziganismus bei der Polizei tun. Im Hintergrund auch die Tatsache, dass Rechtsextreme, Verschwörungsextremisten und Rassisten landauf, landab versuchen, in der Polizei und anderen Sicherheitsbehörden Fuß zu fassen. Unternehmen die Behörden alles ihnen Mögliche?
ausbildung Die Recherche des Mediendienstes lässt Zweifel aufkommen. Als eines der zentralen Ergebnisse heißt es, dass Rassismus und Antisemitismus bei der Polizeiausbildung kaum Thema seien.
Module zu Rassismus und Antisemitismus in der Polizei – etwa zum Thema Racial Profiling – gebe es nur in fünf Bundesländern. Verpflichtend für alle angehenden Polizisten nur in Berlin, im Saarland und in Thüringen, in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg lediglich beim Polizeistudium für den gehobenen Dienst. In den übrigen elf Bundesländern und bei der Bundespolizei fehle ein entsprechendes Ausbildungsmodul. Das Bundeskriminalamt wurde in die Erhebung nicht einbezogen.
Auch in der späteren Laufbahn würden Rassismus und Antisemitismus kaum behandelt – und verpflichtend schon gar nicht. Entweder sind die Fortbildungen freiwillig, oder sie richten sich nur an Führungskräfte. In Sachsen machte man die Probe aufs Exempel: Dort gab es 2021 bei der Polizei eine Fortbildung »Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung«. Es kamen gerade einmal drei Teilnehmer.
Weitere Kritikpunkte im Mediendienst-Papier: Erst in sieben von 16 Bundesländern gibt es unabhängige Polizei-Beschwerdestellen, und sogar nur in drei Bundesländern gibt es Referenten für Antidiskriminierung bei der Polizei.
Rechtsextreme versuchen zunehmend, ihren Einfluss bei der Polizei zu vergrößern.
Bei einem Expertengespräch des Mediendienstes zu der Studie gab es unterschiedliche Einschätzungen zur Frage, wie kritisch die innerbehördliche Beschäftigung mit dem Problem zu bewerten ist. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler, langjähriger Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, übernahm die Aufgabe, die Regierungspolitik zu verteidigen.
fehlerkultur Er forderte, sich intensiver mit Gegnern der Demokratie zu befassen, die sich auf die Sicherheitsbehörden »besonders stürzen« würden. Er wandte sich aber dagegen, der Polizei grundsätzlich eine gute Fehlerkultur abzusprechen. Sehr wohl werde Rassismus, Hass und Hetze entgegengetreten. Die neue Bundesregierung sei bei diesem Thema »so aktiv wie keine zuvor«.
Als ein Beispiel nannte er das neue Hinweisgeberschutzgesetz, das auch in den Sicherheitsbehörden dafür sorgen soll, dass Rechtsverstöße aufgedeckt, untersucht, verfolgt und unterbunden werden. Fiedler sagte, es liege »in der DNA der Kriminalpolizei, immer auch gegen andere Polizisten zu ermitteln«, wenn dies notwendig werde.
Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Blaise Francis Ndolumingo, der unentgeltlich Personen berät, die von rassistischer Diskriminierung betroffen sind, kritisierte beim Fachgespräch des Mediendienstes, dass die vom Bundesverwaltungsgericht 2019 als rechtmäßig eingestufte Kennzeichnungspflicht von Polizisten in vielen Bundesländern nicht umgesetzt worden sei.
minderheit Seine Kritik an Rassismus unter Beamten betreffe »ganz klar« nicht die Mehrheit der Polizei. Doch von einer Minderheit gehe eine »enorme Gefahr« aus. Aus Angst um den Ruf der Polizei fehle es auch am Aufklärungswillen.
Aus Angst um den Ruf der Polizei fehle es auch am Aufklärungswillen.
Der Politikwissenschaftler Markus End, der am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin tätig ist, beklagte besonders, dass Sinti und Roma »kollektive Erfahrungen von Fehlverhalten bei der Polizei« machen würden. Die Polizei spiele bei Antiziganismus seit Jahrzehnten eine »zentrale Rolle« – vor dem Nationalsozialismus, während des Nationalsozialismus und auch danach, wie er sagte.
Die Studie des Mediendienstes bündelt die Informationen zu Polizeiausbildung, Polizei-Beschwerdestellen oder auch Referenten für Antidiskriminierung. Was sie nicht ersetzen kann: die fehlenden unabhängigen wissenschaftlichen Studien zu Rassismus bei der Polizei. Es gibt sie erst in drei Bundesländern: Berlin, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz.
Eine Altlast quasi aus den Zeiten des früheren Bundesinnenministers Horst Seehofer, dem der SPD-Politiker Fiedler eine »Wissenschaftsfeindlichkeit« unterstellte. Dabei hätten die »Sicherheitsbehörden keinen Grund, sich zu verstecken«.