Das Ringen um die Nachfolge der jetzigen OSZE-Beauftragten für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, spricht Bände. Sieben Jahre lang war die Bosnierin eine allseits gelobte Verfechterin der Rechte von Journalisten und Medien in der OSZE-Region. Sie war die Garantin für Medienfreiheit in den EU-Staaten, aber auch in den ehemaligen Sowjetrepubliken, den USA oder der Türkei. Sie alle sind unter den 57 Mitgliedsstaaten der OSZE. Doch nun können sich diese Staaten nicht mehr auf eine neue Kandidatin einigen. Seit letzter Woche brennt kein Licht im Büro der Beauftragten für Medienfreiheit. Das Amt bleibt unbesetzt.
Unter anderen Umständen würde der Vorgang als eine bedeutungslose bürokratische Verzögerung abgetan werden. Doch zum jetzigen Zeitpunkt besitzt der Vorfall hohe Symbolkraft: Die Blockade zeigt, wie spannungsreich und umstritten das Thema unter Regierungen geworden ist.
abwicklung Seit der Übernahme des russischen Senders NTV durch den staatsnahen Gazprom-Konzern, seit es Tötungen, Einschüchterungen und Entlassungen von unliebsamen Journalisten gibt, stirbt die freie Presse in Russland einen langsamen und qualvollen Tod. Die türkische Regierung hat mit der eigenen Presselandschaft hingegen kurzen Prozess gemacht, die Abwicklung hat erst im Sommer angefangen. Nach Angaben von NGOs befinden sich zur Zeit mehr als 150 Journalisten im Gefängnis, Medien wurden geschlossen. Und auch »Welt«-Korrespondent Deniz Yücel ist seit Wochen in Haft.
Dies alles ist mit der Lage der Medien in den USA nicht vergleichbar. Doch die Situation ist für ein Land mit den bisher stärksten Standards für Meinungsfreiheit höchst prekär: Spätestens seit der Sicherheitsberater des neuen US-Präsidenten die unliebsamen Medien zur »Opposition« degradierte, der Pressesprecher des Weißen Hauses unbequeme Medien aus Pressebriefings auslud und Präsident Trump höchstpersönlich kritische Medien zu »Volksfeinden« erklärte. Willkommen in der neuen OSZE-Realität.
Dass autoritäre Machthaber nichts lieber haben, als der kritischen Presse den Garaus zu machen, ist kaum ein Novum. Schon Anfang des 18. Jahrhunderts erkannten zwei englische Denker, die unter dem gemeinsamen Pseudonym »Cato« veröffentlichten, was die heutigen Autoritären durchexerzieren: »Wer einen Staat um seine Freiheit bringen will, der muss zuerst mit Unterdrückung der Freiheit im Reden den Anfang machen.«
monopol Doch Unterdrückung ist nur ein Teil der traurigen Presselage von heute. Staaten haben längst das Monopol über Nachrichtenquellen verloren. In der Sowjetunion hat es ausgereicht, den Alleinanspruch des Staates auf Medien zu begründen und die ausländischen Radiosignale zu unterdrücken. Im Zeitalter des Internets und globaler Medien funktioniert so etwas nicht mehr. Und hier brauchen die Autoritären ihre nützlichen Idioten – uns.
Es geht darum, in unseren Augen die Medien zu delegitimieren, informationelles Chaos zu stiften und das Vertrauen in die Presse als Ganzes zu unterminieren. Viele von uns fallen auf die Mär von unsauberen, ideologisierten, lügenden oder gekauften Mainstream-Medien herein. Die Geschichte, dass alle Medien lügen und dass keinem von ihnen zu trauen wäre, ist Teil des neuen Krieges gegen die Pressefreiheit. Nicht weit ist es von da bis zum Vorwurf der »Lügenpresse«, ein Vorwurf mit einer schillernden Geschichte, mit Hitler oder Honecker in der Rolle der Chefankläger gegen die lügenden Medien.
Es ist paradox, aber ja, auch wir, die freiheitsliebenden Bürger, bedrohen die freie Presse mit unseren pauschalen Verdächtigungen, Vorhaltungen und Einschüchterungen gegenüber Journalisten. Wir bedrohen sie mit unserer Ignoranz, mit unserem Unwissen über den journalistischen Alltag: über die penible Art und Weise der professionellen Berichterstattung, über die strengen Anforderungen an Belege, Quellen und Informanten.
»Fake News« Ja, die Skepsis gegenüber der Qualität der heutigen Presse gründet sich auch auf zahlreichen unkoscheren Medien oder einigen sorglosen Journalisten und ihren Fehlern. Insofern gilt, was immer schon gegolten hat: Kritische Medienkompetenz, das Diskutieren und Hinterfragen der Nachrichten, ist Teil unseres demokratischen Systems. Doch wer pauschal behauptet, dass journalistische Standards etwa in Deutschland oder den USA nicht gelten würden, dass große traditionsreiche Presseorganisationen »Lügenpresse« oder gar »Fake News« sind, der bereitet den Weg just für das Ende der Pressefreiheit, die die Diktatoren jeglicher Couleur sich und uns wünschen.
Nein, unsere Antwort an Despoten und Möchtegerndiktatoren jeder Sorte soll nicht die Relativierung der Rolle der Journalisten sein. Unsere Antwort liegt in unserem Bekenntnis zu den Medien als Grundstein für eine freie Gesellschaft, in der wir leben und die wir anderen wünschen. Unsere Antwort ist auch die Solidarität mit zahlreichen Journalisten weltweit, die für ihr Streben nach Wahrheit ihre Freiheit und ihr Leben riskieren.
Der Autor ist Anwalt und Publizist in Berlin.