Lässig sitzt er da. Ein Lächeln umspielt seine Lippen. Der freundlich schmunzelnde, leicht ergraute Herr im hellen Hemd trägt Krawatte, aber kein Sakko. Das Telefon hat er zwischen Kopf und Schulter geklemmt. Salopp wirkt das, spielerisch leicht. Mister Supercool. Dabei dürfte Barack Obama in diesem Moment seines bislang größten politischen Misserfolgs – der krachenden Niederlage bei den Kongresswahlen – alles andere als fröhlich gestimmt gewesen sein. Doch Politik ist zum großen Teil Show und Inszenierung, gerade in den USA. Und dazu gehört eben auch die Schlacht um die Bilderhoheit. Die Botschaft der Image-Berater für die Öffentlichkeit lautet: Auch ohne komfortable Mehrheiten geht es weiter. Der Tiefschlag hat etwas Gutes. Denn der US-Präsident hat die Wähler verstanden, jawohl. Er wird einer für alle sein. Die Zukunft des Landes heißt Obama. Trotz allem.
Die Frage ist nur: Was bedeutet das? Welchen Projekten wird sich der Chef des Weißen Hauses zuwenden, um die verloren gegangene Popularität und Stimmen zurückzugewinnen? Nimmt er sich gar des Nahen Ostens an, weil innenpolitisch gegen die Republikaner kein Reform-Staat zu machen ist? Drängt sich der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis auf, um wenigstens die Welt außerhalb Amerikas von den diplomatischen Fähigkeiten des Friedensnobelpreisträgers zu überzeugen? Wird sich Obama vor allem Jerusalem vornehmen, den jüdischen Staat drängen und gängeln? Das alles ist ebenso unwahrscheinlich wie eine plötzliche Kooperationsbereitschaft der konservativen Tea-Party-Bewegung.
Wenn der Präsident in zwei Jahren wiedergewählt werden will, muss er alles auf eine Karte setzen: die innenpolitische. Also Jobs, Jobs und nochmals Jobs. Mit außenpolitischen Erfolgen, wenn sie denn überhaupt greifbar sein sollten, gewinnt man in den USA (und auch anderswo) keinen Kampf um das höchste Staats- und Regierungsamt. Und mit dem Nahen Osten schon gar nicht. Pro forma wird sich Obama selbstredend weiter um den Konflikt und seine Lösung kümmern. Vorschläge, Gespräche, Verhandlungen – das ganze Programm. Doch eine Herzensangelegenheit wird es für ihn nicht mehr sein, wenn sie es denn jemals war.
In den vergangenen zwei Jahren hat der Präsident lernen müssen, dass zum einen die muslimisch-arabische Welt seine ausgestreckte Hand zum Dialog schlicht ignoriert hat. Die jüngst entdeckten Paketbomben aus dem Jemen sind nur ein Be weis dafür, dass das Gesprächsangebot kaum honoriert wird. Die USA und der Westen bleiben der Todfeind des Islamismus. Daran ändert selbst ein Mann namens Barack Hussein Obama nichts. Zum anderen hat sich auch Israels Premier Benjamin Netanjahu aus Sicht Washingtons als hartleibig erwiesen. Und die Mehrheit der Bürger des jüdischen Staates hält von Amerikas Nr. 1 mittlerweile herzlich wenig. Die USA, ein Verbündeter, ein Freund? Schön wär’s. Das ist längst Vergangenheit. Man schlägt sich lieber selbst durch.
Womöglich wird die Rolle der USA in der Auseinandersetzung zwischen Israelis und Palästinensern ohnehin überbewertet. Ohne Washington würde im Nahen Osten nichts gehen, heißt es gebetsmühlenartig. Aber mit Washington geht ja seit vielen Jahren offenkundig auch nichts, schon gar nicht voran. Vielleicht ist Obamas Niederlage bei den Midterm-Elections sogar eine echte Chance – für den Präsidenten und die umkämpfte kleine Weltregion. Der eine muss sich auf seine Aufgaben in der Heimat konzentrieren, will er es noch einmal ins Weiße Haus schaffen. Palästinenser und Israelis wiederum brauchen dann gar nicht erst nach Washington zu schielen. Sie sind auf sich selbst zurückgeworfen, müssen sich zusammenraufen. Schließlich sind sie die Kontrahenten, denen vorrangig an gegenseitigem Einvernehmen gelegen sein sollte. Setzt sich diese Erkenntnis endlich durch, besteht ein wenig Hoffnung auf ein bisschen Frieden.
Das böte Obama die Möglichkeit, wenn er denn noch Zeit für die Außenpolitik erübrigen kann, sich voll und ganz dem Iran zu widmen. Von dort droht wirklich Ungemach. Da gibt es das gefährliche Atomprogramm, an dem die Mullahs allen Sanktionen und Drohungen zum Trotz festhalten. Und den islamistischen Terror, den Teheran im eigenen Interesse weltweit sowohl logistisch als auch finanziell unterstützt. Jemen, Afghanistan, Irak, Libanon – überall mischt der Iran mit.
Das gefährlich zu nennen, gehört inzwischen in die Kategorie »Untertreibung«. Dieser Bedrohung etwas Wirksames entgegenzusetzen, würde Barack Obama zu Hause zwar kaum Punkte einbringen. Aber vielleicht den Dank eines Großteils der Welt inklusive einiger arabischer Staaten. Und einen Eintrag ins Geschichtsbuch.