Israelische Politiker und Freunde Zions werden seit Monaten ermahnt, das gegenwärtige »Zeitfenster« der arabischen Revolutionen als goldene Gelegenheit zu nutzen und endlich einen Kompromiss mit den Palästinensern zu schließen. Denn die Völker haben sich erhoben und begonnen, die alten Diktaturen hinwegzufegen.
An ihre Stelle treten gut gebildete, freiheitsliebende Menschen und Politiker. Deshalb sieht Barack Obama die Chance, den Nahostkonflikt ein für alle Mal beizulegen. Der US-Präsident befürwortet Verhandlungen ausgehend von den 67er Grenzen. Würde Netanjahu auf diese Offerte eingehen, hätten Israelis und Palästinenser endlich den ersehnten Frieden, so Obama.
Doch bedauerlicherweise lässt sich dieser Plan vorerst nicht in die Tat umsetzen. Denn Israels Regierung verweigert sich und lädt so Schuld auf sich und den jüdischen Staat. So zumindest verkündet es das Gros der Zeitungskommentare und gibt damit auch die Meinung der meisten demokratischen Staaten wieder.
Ost-Jerusalem Warum lehnt Jerusalem die Offerte aus Washington ab? Außenminister Avigdor Lieberman sowie nationalistische und religiöse Parteien sind zwar strikt gegen einen Rückzug aus dem Westjordanland und Ost-Jerusalem. Premier Netanjahu verkündete jedoch in einer Rede an der Bar-Ilan-Universität seine Bereitschaft, einen palästinensischen Staat zu akzeptieren.
In der Knesset und der israelischen Bevölkerung gibt es dafür eine Mehrheit. Weshalb schließen der Likud und die
oppositionelle Kadima-Partei unter Zipi Livni nicht eine Friedenskoalition und gehen auf den Vorschlag Obamas ein? Weil dieser nicht auf realen Grundlagen beruht – und seine Umsetzung der An-fang vom Ende Israels wäre. Und weil es auf arabischer Seite bisher keine Partner gibt, die ein realistisches Arrangement zwischen Israelis und Palästinensern verwirklichen wollen oder können.
Keine Frage: Die Erhebung der arabischen Massen für Freiheit ist zu begrüßen. Doch bislang haben die Revolutionäre sich nirgendwo durchsetzen können. In Ägypten gingen Millionen auf die Straße. Doch keineswegs für den Frieden. Mubarak, der eine unterkühlte, pragmatische Beziehung mit Israel pflegte, wurde als Helfer der Zionisten beschimpft. Wer immer sich bei den Wahlen in Ägypten durchsetzen wird – ein Ausgleich mit dem jüdischen Staat steht nicht auf seiner Prioritätenliste. Die Muslimbrüder, die am besten organisierte politische und soziale Kraft Ägyptens, sind vehemente Gegner Israels. Deren Ableger, die im Gazastreifen herrschende Hamas, will das »zionistische Gebilde« vernichten.
Syrien Israel wurde empfohlen, einen Ausgleich mit Syriens Diktator Assad zu suchen, nach der Formel: Rückzug vom Golan gegen Frieden. Jerusalem war prinzipiell dazu auch bereit. Doch Damaskus forderte als Vorbedingung die Rückgabe des besetzten Gebirgszuges – danach würde man weitersehen. Heute kämpft Assad um sein politisches Überleben.
Als Friedenspartner bleibt Israel lediglich Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas. Doch die Herrschaft von dessen PLO-Apparat reicht nicht weiter als bis an die Stadtgrenzen von Ramallah. Und Abbas fordert das Rückkehrrecht aller Flüchtlinge, auch nach Israel. Damit würde Yassir Arafats Traum wahr: Zion würde im Kreißsaal besiegt werden. Der Staat verlöre seinen jüdischen Charakter.
Hinzu kommt die Frage: Wie soll die Demilitarisierung Palästinas im Westjordanland gesichert werden? Durch UN-Truppen wie im Südlibanon, wo mittlerweile 40.000 Raketen der Hisbollah einsatzbereit sind? Israels einziger internationaler Flughafen und der Ballungsraum Tel Aviv würden in Reichweite von Kurzstreckengeschossen geraten.
Sicherlich, Israel ist nicht zu ewigem Krieg verurteilt. Selbst Frankreich und Deutschland fanden nach Jahrhunderten Feindschaft zum Frieden. Der jüdische Staat wird auf arabische Gebiete gegen reale Garantien verzichten müssen. Dazu ist Netanjahu bereit.
Die Palästinenser wiederum müssen unrealistische Forderungen wie das Rückkehrrecht der Flüchtlinge fallen lassen und den jüdischen Charakter Israels anerkennen. Auf dieser Basis hat ein Frieden zwischen den Parteien Chancen. Wirklichkeitsfremde Pläne aus Washington wecken lediglich wahnhafte Begehrlichkeiten.
Der Autor ist Historiker und Schriftsteller. Zuletzt erschien seine Autobiografie »Deutschland wird dir gefallen« (Aufbau).