Die Eltern eines zwölfjährigen, jüdischen Mädchens, das im französischen Courbevoie von gleichaltrigen Jungen vergewaltigt wurde, haben ihr Schweigen gebrochen. Sie gaben der Publikation »Le Parisien« ein Interview.
Am 15. Juni kam es zu dem Verbrechen. Das Opfer wurde in einem Park angegriffen und antisemitisch beleidigt, bevor es in einem Schuppen unweit der elterlichen Wohnung des Kindes zu der Vergewaltigung kam.
Später konnten die drei Täter durch eine Freundin des Mädchens identifiziert und daraufhin festgenommen werden. Zwei von ihnen, beide 13 Jahre alt, wurden wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung, versuchter Erpressung, Gewalt, Morddrohungen und Beleidigung angeklagt. Der dritte Junge muss sich nicht wegen Vergewaltigung, wohl aber aufgrund der anderen Vergehen verantworten.
Ausmaß der antisemitischen Gewalt
Die Mutter des Opfers, Muriel Ouaknine-Melki, sagt, ihre Tochter sei gedemütigt, vergewaltigt und beleidigt worden, da sie Jüdin sei, dies aber gegenüber ihrem Ex-Freund, einem der Täter, geheim gehalten habe.
»Dieses Drama sagt leider viel über das Ausmaß der antisemitischen Gewalt aus, die Frankreich heimsucht und sich sogar unter den Kindern unseres Landes ausbreitet«, so die verzweifelte Mutter in dem Interview, das im Büro ihrer Anwälte durchgeführt wurde.
»Sie ist weiterhin schockiert«, so der Vater, Oudy Bloch. »Ihre Angreifer haben ihr die Kindheit gestohlen.« Das Mädchen hat ihm zufolge Probleme beim Einschlafen, wacht nachts auf und leidet unter ständigen Flashbacks, in denen sie an die schreckliche Erfahrung des Angriffs und der Vergewaltigung erinnert wird. »Es ist ein schmerzhafter Alltag«, erklärt der Familienvater.
In Gefahr und eingesperrt
Aus den Angaben der Eltern geht hervor: Ihre Tochter wurde offenbar auch ihrer Freiheit beraubt. »Dank der Freundin, mit der sie den Nachmittag verbracht hatte, erfuhren wir, dass sie in Gefahr und eingesperrt war«, sagt die Mutter.
Der Vater ergänzt: »Ich machte mich auf die Suche nach ihr und ging um den Platz herum, von dem aus sie verschwunden war. Dann kam ich an einem alten Kindergarten vorbei, in dem sie gefangen war, hörte aber nichts. Eine Stunde lang habe ich nach ihr gesucht.«
Diese Suche war nicht erfolgreich. Oudy Bloch ging zunächst nach Hause, machte sich aber später erneut auf den Weg in Richtung des Parks, fand seine Tochter aber in der Lobby des Wohnhauses, in dem sich die Wohnung der Familie befindet.
Erpressung und Drohungen
»Sie war in Tränen aufgelöst und völlig verzweifelt«, erklärt Bloch. »Sie
sagte mir sofort: ›Papa, ich wurde vergewaltigt. Sie haben mir alles angetan.‹ Sie gab mir die Details. Dann sagte sie zu mir: ›Ich habe kein Recht, dir etwas zu sagen, sie haben mich schwören lassen, nichts zu sagen, sonst würden sie mich töten.‹«
Den Angaben der Eltern zufolge verlangten die Täter außerdem 200 Euro von ihr und befahlen ihr, nicht zur Polizei zu gehen. Wenn sie nicht bezahlte, würden sie auch ihren Eltern Schaden zufügen.
»Ich frage sie, wer ihr das angetan hatte. Sie nannte mir den Vornamen des einzigen Jungen, den sie unter ihren drei Angreifern kannte.« Ihn habe sie durch andere Freunde kennengelernt und über soziale Medien mit ihm kommuniziert.
Nicht angenehm
»Ich umarmte meine Tochter«, sagt Bloch. »Ich versuchte, sie zu beruhigen und mehr Informationen von ihr zu bekommen.« Zurück in der Wohnung hätten sie beschlossen, dass sie den Forderungen der Täter auf keinen Fall nachkommen würden.
Erst dann habe er seine Frau, die in diesem Moment nicht zu Hause gewesen sei, telefonisch über die Vergewaltigung informiert. Auch die Polizei habe er darüber in Kenntnis gesetzt. Dort hatte er bereits zuvor eine Vermisstenanzeige eingereicht.
»Ich sagte meiner Tochter, sie müsse stark sein. Ich erklärte ihr,
was passieren würde, dass sie sich Zeit würde nehmen müssen, um zu erklären, was passiert sei – und dass sie sich Tests unterziehen müsse, dass es nicht angenehm sein würde. Ich sagte ihr, dass wir alles tun müssten, um sie und auch andere zu schützen, damit
so etwas nicht noch einmal passiert«, sagt Bloch.
Schikaniert und ausgegrenzt
Für Oudy Bloch ist das Verbrechen »ein eindeutig antisemitischer Akt, der mit der Einschleppung des israelisch-palästinensischen Konflikts nach Frankreich zusammenhängt.« Es sei den Tätern darum gegangen, einer jüdischen Person zu schaden.
Nach Angaben der Mutter kam es bereits kurz nach den Massakern des palästinensischen Terrors in Israel zu Problemen: »Sie wurde in der Schule schikaniert und aufgrund ihrer Religion ausgegrenzt. Es begann im November mit Hitlergrüßen, Hakenkreuzen auf Schultischen und ›Witzen‹ über den Holocaust.«
Aus dem Interview im »Le Parisien« geht hervor, dass dem Mädchen vor der Vergewaltigung von seinen Eltern geraten wurde, bei religiösen Fragen vorsichtig zu bleiben. Denn in der öffentlichen Meinung sei es zu »Verwirrung« gekommen. Israel werde als Aggressor im andauernden Krieg angesehen, sagt Bloch. Französische Juden, die Tausende Kilometer entfernt lebten, würden dafür angeprangert.
Die Mutter spricht von einem »schweren, sichtbaren und spürbaren« Judenhass. »Unsere Tochter erlebte es persönlich in der Schule, bevor
sie am 15. Juni das Undenkbare erlebte.« Sie spricht auch von »einer Ähnlichkeit zwischen den Taten der Hamas-Terroristen und dem, was unsere Tochter erlitten hat.«