Meinung

Ihnen das Kopftuch, mir das Chai

Wie sieht es aus, Adil? Sehe ich deine Hausaufgaben morgen?» «Inschallah!», sagte der Fünftklässler zufrieden und grinste mich an. «Adil, was hat denn Allah mit deinen Hausaufgaben zu tun?» «Mann, verstehen Sie nicht?! Allah hat mit allem was zu tun.» Ich überlegte kurz, ob ich es schaffen würde, die Mathearbeit bis morgen zu korrigieren, und antwortete mir selbst in meinen Gedanken: «B’ezrat Haschem.» Wahrscheinlich war es eine Glaubensfrage, von wem das Erledigen der anstehenden Arbeit abhing.

Adil erklärte mir weiter, dass Mädchen, die kein Kopftuch tragen, unrein seien und keine Ehre hätten. Adil würde niemals eine Frau heiraten, die kein Kopftuch trägt. Wirklich niemals. Leider konnte er mir nicht erklären, warum. Ich hoffte nur, dass Adil nicht Lehrer wird, denn er könnte Schüler und Schülerinnen wohl kaum gleich behandeln. Bei dem Gedanken musste ich mich fragen, wie viele Lehrer es gibt, die ohne ein sichtbares Zeichen versuchten, die eigene Religion als die einzig wahre zu verkaufen. Ich fragte mich, ob es richtig wäre, Kopftücher im Klassenzimmer pauschal zu verbieten, statt mit diesen Jugendlichen über ihre Frauenbilder zu diskutieren.

symbole Die Schule ist voll von religiöser Symbolik. Ob durch den Weihnachtsbaum im Foyer, Ostern im Kunstunterricht, menschenleere Schulen an Bayram oder meine Wenigkeit, die ihren Schülern davon berichtet, wie man Rosch Haschana feiert. Wo ziehen wir eine Grenze, wann hat ein religiöses Symbol einen politischen Hintergrund? Hat jedes Kopftuch einen? Ich trage das kleine, fast unsichtbare Chai am Armband.

Am liebsten würde ich auch meine große Chanukkia am Hals tragen. Weil sie ein Geschenk meiner Eltern war, weil ich ein gutes Gefühl habe, wenn ich sie trage. Nicht, weil ich jemanden beeinflussen möchte. Zuletzt meine Schüler. Sie sollen mündige Bürger werden, die eine eigene Meinung bilden und begründen können. Sie sollen Menschen werden, die jeder Religion, Herkunft oder Sexualität offen und tolerant gegenüberstehen. Menschen, die voneinander lernen, miteinander sprechen und in einem Menschen zuallererst einen Menschen sehen.

Sollten also bald Lehrerinnen in Kopftüchern an der Tafel stehen, würden sie gut in die deutsche Schullandschaft passen – mit Weihnachtsbäumen, Kruzifixen und einer jüdischen Lehrerin, die dann endlich ihre Chanukkia aus dem Kästchen holen könnte.

Die Autorin ist Lehrerin an einer Hauptschule.

Berlin

Angriff auf Leiter deutsch-arabischer Schule in Neukölln

Al-Mashhadani gilt als Kritiker islamistischer Netzwerke und setzt sich für einen arabisch-israelischen Austausch ein

 15.11.2025

Debatte

»Hitler hatte eine unentdeckte genetische sexuelle Störung«

Eine neue britische Dokumentation über Adolf Hitler sorgt für Diskussionen: Kann die Analyse seiner DNA Aufschluss über die Persönlichkeit des Massenmörders geben?

 15.11.2025

Deutschland

Auschwitz-Komitee: Geplante Auktion ist schamlos 

Ein Neusser Auktionshaus will einen »Judenstern« und Briefe von KZ-Häftlingen und deren Angehörigen versteigern. Das internationale Auschwitz-Komitee reagiert

 15.11.2025

Debatte

Verbot durch US-Präsident Trump: Wie gefährlich ist die »Antifa-Ost« wirklich?

In einem ungewöhnlichen Schritt stuft die Trump-Regierung vier linksextreme Organisationen als Terrorgruppen ein - in Europa. Betroffen ist auch eine Gruppierung in Deutschland

von Luzia Geier  14.11.2025

Nahostkonflikt

Indonesien will 20.000 Soldaten für Gaza-Truppe bereitstellen

Der US-Plan für die Stabilisierung des Küstenstreifens sieht eine internationale Eingreiftruppe vor. Einige Staaten haben bereits Interesse bekundet

 14.11.2025

Terror

Mutmaßliches Hamas-Mitglied in U-Haft

Der Mann soll Waffen für Anschläge auf jüdische und israelische Ziele transportiert haben

 14.11.2025

Ehrung

Göttinger Friedenspreis für Leon Weintraub und Schulnetzwerk

Zwei Auszeichnungen, ein Ziel: Der Göttinger Friedenspreis geht 2026 an Leon Weintraub und ein Schulprojekt. Beide setzen sich gegen Rassismus und für Verständigung ein

von Michael Althaus  13.11.2025

Gastbeitrag

Kein Ende in Sicht

Der Antisemitismus ist in den vergangenen zwei Jahren eskaliert. Wer jetzt glaubt, dass es eine Rückkehr zum Status vor dem 7. Oktober 2023 gibt, macht es sich zu leicht. Denn auch vor dem »Schwarzen Schabbat« trat der Antisemitismus zunehmend gewaltvoller und offener zutage

von Katrin Göring-Eckardt, Marlene Schönberger, Omid Nouripour  13.11.2025

Israel

Altkanzlerin Merkel besucht Orte der Massaker

Angela Merkel besuchte den Ort des Nova-Festivals und den Kibbuz Nahal Oz

 13.11.2025