Nazijäger

»Ich will größtmögliche Gerechtigkeit«

Efraim Zuroff Foto: Marco Limberg

Nazijäger

»Ich will größtmögliche Gerechtigkeit«

Efraim Zuroff über die Fahndung nach den letzten Tätern, Islamisten und die Relativierung der Schoa in Osteuropa

von Alexandra Bandl  25.07.2019 10:08 Uhr

Herr Zuroff, im Jahr 2002 ist die »Operation Last Chance« gestartet, eine internationale Kampagne mit dem Ziel, gesuchte NS-Kriegsverbrecher der Justiz zuzuführen. Ist sie heute, im Jahr 2019, noch aktuell?
Ich sage es einmal so: Solange die Möglichkeit besteht, NS-Täter vor Gericht zu stellen, bleibt »Operation Last Chance« von Relevanz. Die Änderungen des deutschen Strafverfolgungsrechts sowie die hohe Lebenserwartung führen dazu, dass NS-Kriegsverbrecher heute immer noch vor Gericht gebracht werden können. Jeder kann unser Vorhaben durch Informationen über Täter unterstützen, vorausgesetzt, dass diese noch am Leben und in körperlich guter Verfassung sind.

Es werden immer wieder Stimmen laut, die eine »Überfütterung« der Schüler mit dem Thema Holocaust beklagen. Gleichzeitig sorgen bis zuletzt Meldungen über Antisemitismus an Schulen für Schlagzeilen. Reicht historische Aufklärung über die Schoa nicht aus?
Es ist offensichtlich unbedingt notwendig, über den Holocaust an deutschen Schulen aufzuklären, aber es kommt darauf an, welche Lehren aus der Geschichte gezogen werden. An manchen Orten gibt es die Tendenz, die Schoa zu »universalisieren« und die Identität der Opfer zu verzerren, als spielte das Jüdischsein keine Rolle für ihr Schicksal. Das ist völlig absurd. Das Problem in Deutschland und anderswo ist das Erstarken des Antisemitismus, das mit dem tagespolitischen Geschehen verknüpft ist. Der radikale Antizionismus hat den traditionellen Antisemitismus weitgehend ersetzt, da dieser von dem Großteil der Bevölkerung in westeuropäischen Ländern angesichts des Holocaust abgelehnt wird.

Was ist die Motivation eines Nazijägers, nachdem die verbleibenden Täter in den kommenden Jahren wegsterben? Worin bestehen die Aufgaben des Simon Wiesenthal Center (SWC) jenseits der Fahndung nach NS-Tätern?
Meine Motivation ist – damals genauso wie heute –, das höchstmögliche Maß an Gerechtigkeit zu erlangen. Machen wir uns nichts vor: Es gibt keine Hoffnung, eine 100-prozentige Gerechtigkeit herbeizuführen und jeden einzelnen NS-Kriegsverbrecher zu verurteilen. Allerdings denke ich, dass jeder Prozess einem bestimmten Zweck dient und zwar, den Leuten die Geschichte des Holocaust sowie die Gefahren von Antisemitismus und Totalitarismus zu vergegenwärtigen. Aus diesem Grund widmet sich das israelische Büro des SWC dem Kampf gegen die gegenwärtige Relativierung des Holocaust in Osteuropa, wo in verschiedenen Parlamenten systematisch der Versuch unternommen wird, die Verbrechen des Kommunismus mit denen des Nationalsozialismus gleichzusetzen und sich als Opfer der deutschen Besatzer zu stilisieren.

Der Antisemitismus ist weltweit auf dem Vormarsch. Worin sehen Sie aktuell die größte Gefahr?
In Westeuropa geht die größte Gefahr von gewalttätigen Islamisten aus, allen voran durch die radikalisierten Kinder von Flüchtlingen. Auf sie gehen die meisten antisemitischen Attentate mit Todesfolge zurück. Gleichzeitig gibt es eine Gefahr seitens neonazistischer Gruppen, die ebenfalls nicht vor Gewalt zurückschrecken. Es stellt sich die Frage, was unternommen werden kann, um derartige Gruppen zu unterlaufen und Anschläge zu verhindern. In dieser Hinsicht ist die Überwachung von sozialen Netzwerken unabdingbar für die Terrorprävention. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Anerkennung des Anti­zionismus als eine Spielart des Antisemitismus.

Der Bundestag nahm vor zwei Jahren die Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) an. Sie dient jedoch lediglich als Empfehlung und ist gesetzlich nicht bindend. Welche Gegenmaßnahmen könnte die deutsche Politik im Kampf gegen Antisemitismus ergreifen?
Zunächst sollte es ein koordiniertes Vorgehen auf Bundesebene geben, damit eine konsequente Durchsetzung der in den einzelnen Ländern erlassenen Gesetze gewährleistet wird. Eine einheitliche, rechtlich bindende Definition ist die Voraussetzung. Dazu gehört auch, dass Polizisten und Staatsanwälte bereits in der Ausbildung lernen, antisemitische Straftaten zu identifizieren. Es braucht eine gesellschaftliche Atmosphäre, in der Antisemitismus nicht geduldet wird.

Mit dem Direktor des Simon Wiesenthal Center Jerusalem sprach Alexandra Bandl.

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

»Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben«, schreibt Rafael Seligmann

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025

New York

Antisemitische Äußerungen: Mitglied von Mamdanis Team tritt zurück

Die Tiraden von Catherine Almonte Da Costa sorgen für Entsetzen

 19.12.2025

Belgien

IS droht mit Anschlägen auf Synagogen und Kirchen

Die Hintergründe

 18.12.2025