Leon Schwarzbaum

»Ich werde weiter sprechen«

Leon Schwarzbaum Foto: dpa

Herr Schwarzbaum, im Alter von 98 Jahren haben Sie in Berlin ein Abiturzeugnis verliehen bekommen. Wie kam es dazu?
Ich habe im Sommer 1939 mit 18 Jahren in Bedzin in der Nähe von Kattowitz in Oberschlesien das Abitur gemacht. Durch den Einmarsch der Nationalsozialisten in Polen im September habe ich mein Zeugnis nie ausgehändigt bekommen. Das war sehr schmerzhaft für mich, da ich ohne Abi­turzeugnis nach dem Krieg in Deutschland nicht studieren konnte. Es ist der Initiative des Dokumentarfilmers Hans-Erich Viet, der den Film »Der letzte Jolly Boy« über mich gedreht hat, zu verdanken, dass ich nach 80 Jahren eine gültige Urkunde im Rahmen eines »Ehrenabiturs« erhalten habe.

Wieso hat sich gerade die niedersächsische Landesregierung dazu bereit erklärt, Ihnen das »Ehrenabitur« zu verleihen?
Herr Viet stammt aus Niedersachsen und hat den Film dort in vielen Schulen und Kinos gezeigt. So ist die dortige Landesregierung wahrscheinlich auf mich und mein Schicksal aufmerksam geworden. Ich selbst bin ja gebürtiger Hamburger und lebe in Berlin. Die Behörden in Bedzin haben sich nicht kooperativ gezeigt. Ich hatte dort nachgefragt, ob es möglich wäre, ein Abiturzeugnis ausgestellt zu bekommen.

Wissen Sie, was mit Ihrem originalen Zeugnis passiert ist?
Als die SS 1939 in unsere Stadt kam, haben sie als Erstes die Synagoge angezündet und alle Unterlagen aus dem Gymnasium für jüdische Mädchen und Jungs verbrannt. Ich muss davon ausgehen, dass auch mein Zeugnis bei diesem Pogrom vernichtet wurde.

Für Ihr Engagement als Schoa-Überlebender und Zeitzeuge haben Sie zudem das Bundesverdienstkreuz erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Ich verstehe sie als eine Anerkennung meiner Arbeit. Das bedeutet mir sehr viel. Seit zehn Jahren gehe ich in Schulen, Ausbildungsbetriebe, Gefängnisse und Krankenhäuser, um über die Schoa und meine Zeit in den KZs zu sprechen. Ich widme mein Bundesverdienstkreuz den sechs Millionen Opfern der Schoa.

Wie reagieren Ihre Zuhörer, wenn Sie über Ihre Erlebnisse zwischen 1939 und 1945 in Auschwitz oder Buchenwald sprechen?
Ich erlebe großes Interesse der jungen Menschen, und das freut mich sehr. Sie wollen ganz genau wissen, was sich in den Lagern abgespielt hat. Oft fragen sie, ob ich vergeben kann. Ich antworte, dass ich niemals vergeben werde, dass 35 Angehörige meiner Familie bestialisch ermordet wurden.

Wie lange wollen Sie noch an Schulen gehen?
Ich werde bis zu meinem Lebensende sprechen. Ich sehe es als meine Aufgabe als Überlebender an, den Ermordeten eine Stimme zurückzugeben. Ich habe viel zu viel Schlimmes erlebt, als dass ich darüber schweigen könnte.

Mit dem Auschwitz-Überlebenden sprach Jérôme Lombard.

Erfurt

CDU, BSW und SPD legen in Thüringen Koalitionsvertrag vor

Wegen der Außenpolitik des BSW ist das Bündnis umstritten

 22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Hessen

Boris Rhein verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

Der israelische Premier verteidige »sein Land gegen Terroristen«, so Rhein

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024

Internationaler Strafgerichtshof

»Halten uns an Recht und Gesetz«: Jetzt äußert sich die Bundesregierung

Außenministerin Annalena Baerbock will aber noch genauer prüfen, was der Entscheid des IStGH bedeutet

 22.11.2024

Budapest

Orbán: »Werde Netanjahu nach Ungarn einladen«

Regierungschef Viktor Orbán will seinen israelischen Amtskollegen trotz des Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofes weiter empfangen

 22.11.2024

Atomprogramm

Iran kündigt Ausbau der Urananreicherung an

Der Atomstreit mit dem Iran geht in eine neue Runde

 22.11.2024