An diesem Sieg gibt es keinen Zweifel. Donald Trump war nicht nur der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, er wird im Januar auch 47. Präsident werden. Es ist eine Rückkehr ins Weiße Haus, die in der 258-jährigen Geschichte der USA bisher nur einem einzigen Mann gelungen ist, Grover Cleveland, der sowohl von 1885 bis 1889 als auch von 1893 bis 1897 als Präsident amtierte.
Ebenfalls bemerkenswert: Trump hat seine beiden Wahlsiege jeweils gegen eine Frau als Gegenkandidatin errungen: 2016 gegen Hillary Clinton und nun gegen Kamala Harris.
Im Gegensatz zu 2016 erhielt Trump am Dienstag erstmals auch bei der Zahl der landesweit abgegebenen Stimmenzahl eine Mehrheit. Die jüdische Wählerschaft bildete hier aber eine Ausnahme. Einer Befragung des rechten Nachrichtensenders »Fox News« zufolge votierten zwei Drittel der US-Juden für Kamala Harris. Es war die mit Abstand höchste Zustimmungsrate für die Demokratin unter den verschiedenen Religionsgemeinschaften. Ob es Zufall war, dass Trump in seiner Dankesrede am frühen Morgen zwar zahlreiche Minderheiten erwähnte, die jüdische aber nicht?
Das sogenannte »Popular Vote« ist zwar nicht maßgeblich für die Bestimmung der Wahlleute in den einzelnen Bundesstaaten. Sie bestimmen formell den Präsidenten. Doch die Tatsache, dass er dieses Mal eine absolute Mehrheit der Wählerschaft hinter sich hatte, dürfte Donald Trump zusätzliche Legitimität für sein politisches Handeln verleihen.
Hinzu kommt: Trumps Republikaner, die ihm großteils wie einem Guru zu Füßen liegen, werden ab Januar in beiden Kammern des Kongresses die absolute Mehrheit haben. Bislang war der Senat in demokratischer Hand. Trump kann also durchregieren. Auch vom Obersten Gerichtshof, in den Trump in seiner ersten Amtszeit drei konservative Richter schickte, dürfte dem ehemaligen und künftigen Präsidenten kein Gegenwind drohen. Im Frühjahr gab der Supreme Court ein Urteil bekannt, das dem amtierenden Präsidenten ein hohes Maß an Immunität für sein Regierungshandeln zugesteht.
Ob das reicht, seine wichtigsten innenpolitischen Vorhaben, darunter die massenhafte Ausweisung illegaler Einwanderer, in die Tat umzusetzen, ist noch unklar. Schon einmal, 2017/18, verfügte Trump über eine Mehrheit im Kongress, doch das Chaos der ersten Regierungsjahre war groß.
Außenpolitisch sind Trumps Ambitionen nicht minder groß. Der US-Präsident hat weitreichende Befugnisse, was den Einsatz politischer und militärischer Mittel im Ausland angeht. Dabei stilisierte sich Trump im Wahlkampf zu einem »Friedensmacher« hoch. Vollmundig versprach er, dafür zu sorgen, dass der Krieg in der Ukraine ein schnelles Ende finde. Im Juli sagte er bei »Fox News«, er werde das an einem einzigen Tag schaffen, denn er kenne sowohl den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als auch Russlands Staatschef Wladimir Putin sehr gut.
Trump: »Ich hatte ein sehr gutes Verhältnis zu beiden. Ich würde Selenskyj sagen: ›Schluss damit, ihr müsst einen Deal machen!‹ Putin würde ich sagen: ›Wenn ihr keinen Deal macht, werden wir ihm (Selenskyj) und der Ukraine mehr geben, als sie je zuvor bekommen haben. Ich werde den Deal an einem Tag abschließen.«
Ob es so einfach sein wird, wie Trump es darstellt, ist zweifelhaft. Moskau schlug am Mittwoch jedenfalls ganz andere Töne an. Putin habe nicht vor, Trump zum Wahlsieg zu gratulieren, erklärte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Man dürfe nicht vergessen, dass die USA »ein unfreundliches Land« seien, das »sowohl direkt als auch indirekt in einen Krieg gegen Russland verwickelt sei«, so Peskow. Die bilateralen Beziehungen befänden sich auf einem Tiefpunkt.
Trumps erklärter Wunsch nach Frieden in der Welt hat wohl nicht nur mit seinen ethisch-moralischen Vorstellungen zu tun, sondern auch handfeste finanzielle Gründe: Viele seiner Wähler finden es falsch, dass die USA Militärhilfe in zweistelliger Milliardenhöhe für die Ukraine und auch für Israel leisten. Sie finden, das Geld sei besser in Amerika selbst aufgehoben. Das bereits 2016 postulierte Motto »America first« dürfte in Trumps zweiter Amtszeit noch deutlicher zum Tragen kommen.
Und so, wie Trump selbst große Bewunderung hegt für autoritäre Herrscher wie Putin oder den Chinesen Xi, so wird dies mittlerweile auch in seiner Partei gesehen. Standen Republikaner wie der verstorbene Senator John McCain für einen strikten Kurs gegen Aggressoren wie Putin, steht nun zu erwarten, dass die Trump-Regierung die US-Militärhilfen für die Ukraine kürzen oder zumindest neu konditionieren wird.
Die Unterstützung Washingtons für seine westlichen Verbündeten, vor allem die Europäer, dürfte merklich zurückgehen. Bereits in seiner ersten Amtszeit hatte Trump den NATO-Mitgliedern klargemacht, dass sie künftig mehr zur eigenen Verteidigung beitragen müssten. Und auch im Wahlkampf sparte er nicht mit Kritik. »Wir sind schlecht behandelt worden, vor allem von Verbündeten«, sagte er im September bei einer Kundgebung in Wisconsin. »Unsere Verbündeten behandeln uns tatsächlich schlechter als unsere Feinde. Beim Militär schützen wir sie und dann betrügen sie uns beim Handel.«
Frankreichs Präsident spielte womöglich genau darauf an, als er am Mittwoch Trump seine Glückwünsche aussprach. Auf der Plattform X schrieb Emmanuel Macron: »Ich habe mich gerade mit Bundeskanzler Olaf Scholz ausgetauscht. Wir werden uns für ein einigeres, stärkeres und souveräneres Europa in diesem neuen Umfeld einsetzen.« Man werde zwar mit den USA zusammenarbeiten, aber auch »unsere Interessen und Werte verteidigen«, so Macron.
Der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz (CER), Pinchas Goldschmidt, sieht in dem Wahlergebnis »eine Mahnung an die europäischen Politiker, dass ein naiver Umgang mit der Hisbollah, der Hamas und anderer iranischer Stellvertreterorganisationen sie ihre Führungsrolle kosten und mit der extremen Rechten eine ungewollte Alternative an die Macht bringen könnte, die droht, das europäische Projekt zu schwächen oder sogar zu zerstören.«
Die USA sähen den Iran und islamische Radikale als ihren Hauptfeind an, während für Europa Russland die Hauptbedrohung darstelle. Ein neuer Pakt zwischen Europa und den USA sei daher notwendig, in dem jede Macht den Feind der jeweils anderen anerkenne und verspricht, ihn zu bekämpfen, so Goldschmidt.
Was die Wahl Trumps für den Nahen und Mittleren Osten bedeutet, ist hingegen noch nicht absehbar. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu freute sich in einer ersten Reaktion fast schon überschwänglich auf Trumps zweite Präsidentschaft. An Trump und dessen Gattin Melania gerichtet schrieb Netanjahu auf X: »Glückwunsch zum größten Comeback der Geschichte! Eure historische Rückkehr ins Weiße Haus bietet einen Neuanfang für Amerika und ein starkes Bekenntnis zur großen Allianz zwischen Israel und Amerika.«
In seiner ersten Amtszeit hatte Trump die Annäherung zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn vorangetrieben, die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt, den Golan als Teil Israels anerkannt und Waren aus israelischen Siedlungen im Westjordanland mit dem Siegel »Made in Israel« versehen lassen. Er hatte auch eine Iran-Politik verfolgt, die auf Sanktionen gegen die Islamische Republik setzte, und war aus dem 2015 geschlossenen Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen.
Zudem sind die USA mit Abstand der wichtigste Waffenlieferant Israels. Zwei Drittel aller importierten Kriegsgüter kommen aus Amerika. Dennoch könnte Netanjahu mit Trump auch ein unbequemer Partner erwachsen, denn der Amerikaner pocht auf ein schnelles Ende des Krieges im Gazastreifen. Er scheute sich im Wahlkampf auch nicht, offen um muslimische Wähler zu buhlen - oder sie zumindest seiner Widersacherin Harris abspenstig zu machen.
So besuchte Trump am vergangenen Wochenende die Stadt Dearborn in Michigan, in der viele arabischstämmige Wähler leben, und sagte in einem libanesischen Restaurant, er werde dafür sorgen, dass es im Nahen Osten schnell Frieden gebe. Das sei »mit diesen Clowns, die derzeit regieren«, aber nicht möglich. Schon im September hatte er sich ähnlich geäußert: »Ich werde das schnell regeln.«
Im Januar hatte Trump zudem jüdischen Spendern versprochen, er werde die wachsende antiisraelische Protestbewegung in den USA »um 25 oder 30 Jahre zurückwerfen«, sollte er gewählt werden. Wie genau, verriet er nicht. Doch Details und programmatische Finesse waren noch nie die Sache des Donald Trump.
Sein möglicher Außenminister könnte Richard Grenell werden, ein alter Bekannter in Berlin. Der ehemalige US-Botschafter in Deutschland hat sich vor allem mit einer Eigenschaft bei Trump beliebt gemacht: unbedingte Loyalität. Ob er auch ein Händchen für Diplomatie hat und Trumps außenpolitische Agenda in der Welt voranbringen kann, steht dagegen auf einem anderen Blatt. Grenell hatte sich zu seiner Zeit als Botschafter nicht gescheut, offen sein Gastland zu kritisieren und für rechte Populisten Partei zu ergreifen.
Mit Kritik wird auch Donald Trump künftig nicht sparen. Er dürfte noch klarer, noch ideologischer seine Interessen verfolgen. Inwiefern er auf seine Worte auch Taten folgen lässt, bleibt aber abzuwarten. Denn mit dem Bohren dicker Bretter hat es Trump nicht so.