Herr Flohr, Sie haben als Student ein Jahr lang in Jerusalem gelebt und Ihre Erfahrungen in einem Buch festgehalten. Warum ausgerechnet Israel?
Mein Vater ist Pastor, deshalb bin ich in dem Bewusstsein aufgewachsen, dass Israel etwas besonders Wichtiges ist. Noch bevor ich wusste, wie die Nachbarorte meiner Heimatstadt Syke heißen, kannte ich aus Geschichten Jerusalem und Nazareth. Israel war also immer präsent, aber es hatte sich nie ergeben, selbst einmal dorthin zu reisen. Das wollte ich unbedingt ändern.
»Wo samstags immer Sonntag ist«, lautet der Titel Ihres Buches. Was haben Sie noch über Israel herausgefunden?
Mich hat zuallererst sehr überrascht, wie wenig europäisch das Land ist. Ich denke zum Beispiel an die vielen orientalischen Juden, deren Musik mich anfänglich ein wenig an die erinnerte, die Muslime in Neukölln hören. Was ich zudem festgestellt habe, ist, dass die jungen Israelis ungemein direkt sind. Ihre Witze etwa sind rau und rücksichtslos. Daran muss man sich als norddeutscher Protestant erst einmal gewöhnen.
Wie hat man auf Sie als junger Deutscher reagiert?
Ich wurde sehr positiv aufgenommen, weil es in Israel einen regelrechten Berlin-Hype gibt und alle Deutschen automatisch für Berliner gehalten werden. Man schämt sich dann fast ein bisschen, wie positiv Deutschland in Israel gesehen wird, denn in der Bundesrepublik gibt es bekanntlich nicht nur das hippe Berlin, sondern auch eine NPD, die in Sachsen im Landtag sitzt.
In Ihrem Buch spielt Ihre Nase eine große Rolle. Warum ist die so besonders?
Tatsächlich war es so, dass ich in Israel meiner leicht gekrümmten Nase wegen oft für einen Juden gehalten wurde. Als ich dann sagte, dass ich der Sohn eines Pfarrers sei, reagierten die Leute stets sehr verdutzt: »You are not Jewish? But your nose!« Für mich galt es in Deutschland immer als antisemitisches Klischee, dass Juden lange, krumme Nasen haben. Da fand ich es sehr erfrischend, dass die Israelis das ironisch wenden. Dadurch hat dieses Vorurteil, das die Juden eigentlich diskriminieren soll, seine Härte verloren.
Sie haben in Jerusalem in einer koscheren WG gewohnt. Wie oft haben Sie milchiges und fleischiges Geschirr verwechselt?
Tatsächlich ist mir das ein paar Mal aus Unachtsamkeit passiert. Mein größter Fauxpas war, dass ich einmal ein Hühnchen im falschen Ofen zubereitet habe, das gab eine Menge Stress. Die Umstellung fiel mir zugegebenermaßen schwer, da viele Fehler unbewusst passieren. Da ich selbst aus einem sehr religiösen Elternhaus komme, hatte ich zumindest großes Verständnis für die Speisegesetze.
In Ihrem Reisebericht beschreiben Sie die Unterschiede zwischen jungen deutschen und jungen israelischen Frauen. Klären Sie uns auf!
Ich habe festgestellt, dass die israelischen Studentinnen außerordentlich offen sind. Wenn eine Frau einen Mann attraktiv findet, macht sie ihm das unmissverständlich klar. Die deutschen Frauen sind ja zumeist etwas, nun ja, reserviert. In den Clubs und Discos in Tel Aviv wird gefeiert nach dem Motto: »Morgen kann die Welt untergehen, deshalb müssen wir heute die Party unseres Lebens feiern.«
Haben Sie während Ihres Auslandssemesters überhaupt studieren können inmitten dieser ganzen Partys?
Sagen wir es so: Ich habe intensiv Land und Leute studiert und alles in allem auch einen Leistungsschein absolviert.
Seit einiger Zeit sind Sie wieder zurück in Deutschland. Was vermissen Sie nach Ihrer Zeit in Israel?
Am allermeisten die Lebensfreude. Und auch der Humor der Israelis hat mir sehr imponiert. Ein Beispiel: Im Flugzeug saß ein orthodoxer Jude neben mir, der sich versehentlich auf einen falschen Platz gesetzt hatte. Als die Stewardess ihm einen neuen zeigte, sagte er: »You put me here, you put me there, haven’t the Jewish people suffered enough?« Es ist ein guter Weg, auf Probleme nicht immer bierernst, sondern mit Humor zu reagieren.
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Markus Flohr, geboren 1980 in Hannover, ist Journalist. Er hat die Henri-Nannen-Schule besucht, war Redakteur bei Spiegel Online und studierte Geschichte in Hamburg und Jerusalem. Über sein Buch »Wo samstags immer Sonntag ist. Ein deutscher Student in Israel« sagt der Comedian Oliver Polak: »Hab’ nur zwei Seiten gelesen und dachte mir: für einen Protestanten ganz schön komisch.«