Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD) hat mit seiner Unterstützung einer antiisraelischen Boykottaktion heftige Kritik auf sich gezogen. Schröter hatte sich hinter die Kampagne »Besatzung schmeckt bitter« der katholischen Friedensbewegung Pax Christi gestellt. Dort wird versucht, den Vertrieb von »Waren aus völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen« zu verhindern.
Wolfgang Nossen, Vorstand der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, fordert, der OB solle seine Unterschrift zurückziehen. Dieser Boykott sei »unbedingt gegen Israel«. Und Kevin Zdiara, stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Ge-
sellschaft (DIG) in Erfurt, sagt, dass mit dem Aufruf »de facto alle israelischen Produkte« gemeint seien. Die Forderung erinnere ihn an die Naziparole »Kauft nicht bei Juden!«.
Auch Schröters Partei, die SPD, bleibt auf Distanz: »Die SPD Thüringen hätte den Aufruf zu der Aktion nicht unterzeichnet«, sagt Landesgeschäftsführer René Lindenberg. Ähnliches ist bei der Bundes-SPD in Berlin zu hören.
Produkte Albrecht Schröter wehrt sich. »Entschieden weise ich den böswillig gegen mich erhobenen Antisemitismus-Vorwurf zurück!« Was er und Pax Christi forderten, sei in Großbritannien schon lange Realität. Außerdem werbe er »ausdrücklich für den Kauf israelischer Produkte, deren Herkunft unzweifelhaft ist«. Schröter verweist auf seine langjährigen Aktivitäten gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und die NPD.
Doch am Montag dieser Woche hat der OB eine Solidaritätsbotschaft ausgerechnet von der NPD bekommen. Der Kreisverband Jena der Rechtsextremisten nennt den Jenaer OB »mutig und couragiert« und freut sich, dass der nun selbst erfahre, »was es bedeutet, von der Antisemitismus-Keule getroffen zu werden«.
Einen Zusammenhang zwischen der Haltung des OBs mit dem Rechtsextremismus in Thüringen sieht auch Kevin Zdiara: »Man sollte meinen, dass es für den Oberbürgermeister dieser Stadt genug zu tun gibt«, sagt der DIG-Funktionär mit Blick auf das aus Jena stammende NSU-Terrortrio. »Er muss sich nicht noch mit einseitigen Äußerungen zu Israel in die Weltpolitik einschalten.«
Klaus Faber und Daniel Kilpert vom Koordinierungsrat deutscher Nichtregierungsorganisationen gegen Antisemitismus fragen: »Warum sieht Herr Schröter keinen Anlass, etwa zum Boykott von Waren aus der antisemitischen islamischen Republik Iran oder dem Nordsudan, dem viele Massaker vorgeworfen werden, aufzurufen?«
Shimon Samuels vom Simon Wiesenthal Center überlegt, ob seine Institution eine förmliche Reisewarnung für die Stadt Jena herausgeben soll. Der OB habe eine antiisraelische und antijüdische Stimmung geschaffen, die zur Gewalt gegen Juden führen könnte. Als warnendes Beispiel nennt Samuels den Anschlag auf eine jüdische Schule in Toulouse im März dieses Jahres.