Man soll nicht unterhalb der Gürtellinie argumentieren. Aber Carsten Hütter lässt mir keine Wahl. Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete interessiert sich nämlich auffallend für männliche Geschlechtsteile, vor allem die von Angehörigen religiöser Minderheiten. »Wie viele Fälle von medizinisch indizierten oder religiös motivierten Beschneidungen gab es seit 2010 im Freistaat Sachsen?«, wollte der gelernte Kraftfahrzeugmechaniker in einer Kleinen Anfrage im Parlament wissen.
»Wie viele Beschneidungen wurden von den unterschiedlichen Religionsgemeinschaften seit 2010 ausgeführt? (Bitte aufschlüsseln nach Religion, Konfession, Anzahl und Jahr)«, bohrte er weiter nach. Und: »Wie viele der religiösen Beschneidungen wurden von einem approbierten Arzt ausgeführt?«
Psychoanalyse Ich will dem kirchenpolitischen Sprecher seiner Partei nichts unterstellen. Psychoanalytische Ferndiagnosen sind immer heikel. Selbst wenn Freudianer aus Hütters intensivem Interesse an Penissen womöglich Schlüsse auf verdrängte libidinöse Wünsche ziehen könnten: Das wäre seine Privatsache. Wir leben in einer toleranten Gesellschaft. Außerdem ist der verheiratete Vater von fünf Kindern gläubiger Katholik. Die römische Kirche sieht allzu ausgeprägte männliche Beschäftigung mit Gliedern von Geschlechtsgenossen nicht gern, offiziell zumindest. Die AfD übrigens auch nicht.
Antisemitismus oder Fremdenfeindlichkeit fallen als Motive ebenfalls bestimmt aus. Carsten Hütter hat mit Sicherheit nichts gegen Juden oder Muslime. Einige seiner besten Freunde sind wahrscheinlich beschnitten. Womöglich hat er sich selbst davon überzeugt. Vielleicht ist Hütter einfach nur, trotz seiner 54 Jahre, im Herzen oder sonst wo jung geblieben. Vergleiche der Gliedmaßen gehören zum Standardrepertoire pubertierender Knaben. Bei den meisten wächst sich das zum Glück rasch aus.
In jedem Fall wird der Rechtsaußenpolitiker momentan wahrscheinlich etwas frustriert sein. Das für Sachsens Schniedel offenbar zuständige Ministerium für Soziales und Verbraucherschutz in Dresden hat seine penibel erarbeitete Anfrage nur mit einem lapidaren Satz beantwortet: »Der Staatsregierung liegen zu den Sachverhalten, die den Fragen zugrunde liegen, keine Erkenntnisse vor«, ließ es den Landtagsabgeordneten wissen. Die fehlenden Vorhäute in sächsischen Herrenhosen sind statistisch nicht erfasst. Ein klarer Fall von Staatsversagen.
dicke Hose Seine Neugier wird der AfD-Mann nun mindestens bis nächsten Sommer zügeln müssen. Dann sind in Sachsen Landtagswahlen. Die AfD macht jetzt bereits einen auf dicke Hose: Sie will besonders gut abschneiden, stärkste Partei werden und die Regierung übernehmen.
Falls ihr das gelingen sollte, wären Hütters Forschungsdrang keine Grenzen mehr gesetzt. Als möglicher Landesbeschneidungsbeauftragter des Freistaats könnte er dann hochoffiziell anderen Männern in den Latz gucken.