Kampfhundbesitzer wollen bei einer Demo gegen den Maulkorbzwang ihren Kötern »Judensterne« umhängen. Der Kölner Kardinal Meisner spricht von Abtreibung als »Babyholocaust«. Eine unzufriedene Siemens-Managerin fühlt sich gemobbt und »schlimmer behandelt als Juden im 3. Reich«. Sag’ keiner, die Deutschen hätten nicht gelernt aus der Geschichte.
Das gilt erst recht für unsere »TheatermacherInnen und Kulturschaffenden«. 80 von denen, darunter so illustre Namen wie Claus Peymann, Sasha Waltz und Kurt Krömer, haben vorige Woche einen Offenen Brief an den Bundestag, das Europaparlament und das Berliner Abgeordnetenhaus geschrieben und »mit Scham, Empörung und Entsetzen« die Situation in einer besetzten Grundschule in Berlin-Kreuzberg kommentiert. Dort haben sich illegal eingereiste Flüchtlinge seit Monaten verschanzt, um außerhalb des Instanzenwegs ein Aufenthaltsrecht in Deutschland zu erzwingen, mit drastischen Methoden bis hin zu Selbstmorddrohungen.
dilemma Sich auf die Seite von Menschen zu stellen, die vor Krieg und Not in Länder flüchten, wo sie sich bessere Lebensbedingungen erhoffen, ist ehrenwert. Ebenso wie es legitim ist, darauf zu verweisen, dass diese Flüchtlingsströme die Zielländer oft überfordern. Das ist ein moralisches Dilemma. Doch darauf lassen die »TheatermacherInnen und Kulturschaffenden« sich nicht ein. Stattdessen argumentieren sie unter anderem damit, dass dieses Land »6 Millionen Juden vernichtet hat«. Das ist hier nicht nur sachlich völlig fehl am Platz. Der Verweis ist angesichts der Dimension des Völkermords auch dreist. Peymann, Waltz et al. instrumentalisieren die Schoa für ihre Selbstinszenierung als moralische Instanzen.
Wahrscheinlich ist das nicht einmal böse gemeint. Im Gegenteil: Die »TheatermacherInnen und Kulturschaffenden« handeln besten Gewissens – und komplett gedankenlos. Dafür gibt es ein Wort: Schamlosigkeit.