Vor 72 Jahren, am 27. Januar 1945, wurde das Vernichtungslager Auschwitz befreit. Ich war in Auschwitz. 35 Mitglieder meiner Familie wurden dort ermordet. In diesen Tagen erinnern wir uns wieder an das Grauen der Schoa.
Dieser Tag ist für mich auch ein Tag der Hoffnung. Denn ich hoffe, dass die Menschen darüber nachdenken, was geschah. Ich selbst erinnere mich immer. Jeden Tag denke ich an die, die dort getötet wurden, an meine Eltern, meine Familie, meine Freunde. An das Leid, das sie erfahren mussten.
schulen Oft gehe ich in Schulen. Seit zehn Jahren mache ich das, und die jungen Leute sind ahnungslos, aber sie wollen etwas lernen. Sie wollen genau wissen, was damals geschehen ist. Im Unterricht erfahren sie von ihren Lehrern jedoch wenig. Bei Älteren habe ich oft das Gefühl, dass es ihnen nicht wichtig ist, was damals passiert ist. Daher ist es meine Pflicht, zu berichten, was wir erleiden mussten. Ich muss das für die Menschen tun, die nicht überlebt haben.
Derzeit dreht der Regisseur Hans-Erich Viet einen Film mit mir. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass etwas bleibt. Wir erzählen bis in die Gegenwart – bis zum Prozess gegen den SS-Mann Reinhold Hanning im letzten Jahr, bei dem ich Zeuge und Nebenkläger war.
fragen Ich erlebe auch, dass junge Menschen kritische Fragen stellen. Ein Schüler erzählte mir, sein Großvater sei in der SS gewesen. Was hat er da gemacht, habe ich gefragt, und er sagte, er wisse es nicht, der alte Mann spreche nicht darüber. Ich sagte, dann musst du deine Großmutter fragen. Sie sagt auch nichts, hat er mir geantwortet.
Ich werde in vier Wochen 96 Jahre alt. Ehrlich gesagt, bin ich sehr skeptisch, ob die Welt besser geworden ist, ob sie besser wird. Im Lager haben wir oft gesprochen, wenn wir abends auf der Pritsche lagen. Wir alle hatten die Hoffnung, wenn nicht gar Gewissheit, dass die Welt besser wird, besser werden muss. Ich bin skeptisch, aber die Hoffnung habe ich immer noch.
Der Autor lebt in Berlin und überlebte das Vernichtungslager Auschwitz.