Meinung

Hitzlsperger und die Würde des Menschen

Avichai Apel Foto: Marco Limberg

Es gibt eine vielfältige Kultur des Outings in diesem Land. Zuletzt war es der frühere Nationalspieler Thomas Hitzlsperger, der sich »endlich« dazu durchgerungen hat, offen über seine Homosexualität zu sprechen. Warum ist das so wichtig für uns? Warum sollte man sich als Fußballfan für Hitzlspergers Privatleben interessieren? Und warum sollte er es uns erzählen? Er spielte gut – und fertig, sollte man meinen. Ich frage meinen Schreiner ja auch nicht, ob er verheiratet ist, solange ich keinen Schiduch für ihn habe.

Dennoch ist das Coming-out eines Fußballstars hochinteressant. Vor allem, weil Hitzlsperger so lange gewartet hat, bis seine Profikarriere zu Ende war. Warum eigentlich? Wenn er mit dieser Lebensweise zufrieden ist, hätte er es uns allen doch schon längst erzählen können. Schuhgröße, Gewicht, Lieblingsessen und weitere persönliche Informationen – das alles wird ja ständig über die prominenten Kicker veröffentlicht. Schwul zu sein, ist aber offensichtlich etwas anderes.

Gewiss, das Judentum spricht sich klar und strikt gegen homosexuelle Beziehungen aus. Aber es geht bei dem Thema, zu dem uns der Fall Hitzlsperger führt, um eine ganz andere Frage: Akzeptiert unsere Gesellschaft Menschen, so wie sie sind, oder nicht? Wir dürfen nicht vergessen, dass auch Homosexuelle vom Nazi-Regime verfolgt und ermordet wurden. Uns allen liegt der Kampf gegen Antisemitismus und gegen Rassismus am Herzen, auch in den Fußballstadien.

gedenken Das Volk liebt den Fußball, und entsprechend werden viele Menschen erreicht, wenn große Fußballclubs gegen Antisemitismus vorgehen. Wenn beispielsweise die Fanclubs von Borussia Dortmund, der Stadt, in der ich Rabbiner bin, einen Gedenktag für Julius Hirsch, einen jüdischen Fußballer, der in der Schoa ermordet wurde, veranstalten, freue ich mich sehr über dieses positive Signal.

Aber bis eine menschenfreundliche Atmosphäre in den Stadien herrscht, wird es noch dauern. Hätte Thomas Hitzlsperger seine Homosexualität noch als aktiver Spieler öffentlich gemacht, die Fans der gegnerischen Teams hätten diese Information vermutlich schlimm gegen ihn ausgenutzt. Das darf nicht sein, völlig unabhängig von der Frage, ob es richtig ist, ein Coming-out zu haben. Jeder Mensch bleibt ein Mensch, und seine Würde muss von uns allen geachtet werden.

Der Autor ist Rabbiner der Jüdischen Kultusgemeinde Groß-Dortmund und hat diesen Kommentar zusammen mit seinem Sohn Amiad (13) verfasst.

Extremismus

AfD trennt sich von Junger Alternative

Die AfD beschließt nach langer Debatte ihr Programm zur Bundestagswahl. Hitzig wird es aber erst bei einem anderen Punkt: Die Jugendorganisation der AfD soll an die kurze Leine

von Jörg Ratzsch  12.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  12.01.2025 Aktualisiert

Militär

»Deutschland bleibt gern unsichtbar«

Der israelische Politikexperte Nir Levitan über die zunehmende Präsenz der deutschen Marine in Nahost

von Sabine Brandes  12.01.2025

Jüdische Journalisten

»Hochschulen dürfen kein rechtsfreier Raum werden«

Der Verband reagiert auf die Äußerungen von Bettina Völter, der Präsidentin der Alice-Salomon-Hochschule

 12.01.2025

Meinung

Düsseldorfs braunes Erbe

Beim Gedenken muss die Stadt konsequent sein

von Oded Horowitz  12.01.2025

Thüringen

KZ-Gedenkstätten prüfen Rückzug von der Plattform X 

Das von Elon Musk übernommene soziale Medium gefährde des Zusammenhalt demokratischer Gesellschaften

 11.01.2025

Riesa

Massive Proteste gegen AfD-Bundesparteitag 

Mehrere tausend Menschen sind seit dem frühen Samstagmorgen in der sächsischen Stadt gegen den AfD-Bundesparteitag auf die Straße gegangen

 11.01.2025

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Israel-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025