Anlässlich des sechsten Jahrestag des Genozids an den Jesiden im Irak rufen Menschenrechtler und Politiker zu mehr Schutz für Angehörige der Glaubensgemeinschaft auf. »Dieser Genozid darf nicht einfach vergessen werden«, sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Montag).
Besonders wichtig sei es, den nach Entführungen und Vergewaltigungen oft schwer traumatisierten Frauen zu helfen. Zudem müsse daran gearbeitet werden, den Jesiden die Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Dazu wolle Deutschland beitragen.
»Wir müssen das ganze Ausmaß der Verbrechen ans Licht bringen, um die Strafverfolgung und Aufarbeitung zu ermöglichen«, sagte der Minister weiter. Den Jesiden sei unermessliches Leid zugefügt worden.
CAMPS Mädchen und Frauen seien vergewaltigt, versklavt und mit Terroristen der Miliz »Islamischer Staat« zwangsverheiratet worden. 360.000 Jesiden seien aus ihrer Heimat vertrieben worden. Ein Drittel der jesidischen Bevölkerung lebe bis heute in Camps im Nordirak als Binnenvertriebene.
Die Terrorgruppe »Islamischer Staat« (IS) hatte 2014 begonnen, Jesiden systematisch zu verfolgen und zu töten. Viele Frauen wurden verschleppt und versklavt. Als Gedenktag für den Beginn des Genozids gilt der 3. August.
Aktuell wäre eine Rückkehr der Jesiden in die Region Sinjar gefährlich, warnte die Minderheiten-Referentin der Gesellschaft für bedrohte Völker, Lina Stotz. Im Juni habe die Türkei Luftangriffe auf die Region geflogen und dabei auch zivile Ziele wie Flüchtlingslager angegriffen.
BOMBARDIERUNG »Die Bombardierung von Genozid-Überlebenden gefährdet nicht nur diese: Sie stärkt auch den IS, der in der Region weiterhin aktiv ist«, erklärte die Menschenrechtlerin. Die irakische Regierung sowie die internationale Gemeinschaft müssten dringend für Sicherheit und Wiederaufbau sorgen.
Weiterhin befinden sich laut Stotz bis zu 3000 jesidische Frauen und Mädchen in IS-Gefangenschaft. Dazu kämen vermutlich Hunderte Kinder, die in Vergewaltigung gezeugt wurden. Diese Frauen und Kinder brauchten dringend Hilfe. Auch hier sei die internationale Gemeinschaft in der Pflicht.
Der Beauftragte der Bundesregierung für weltweite Religionsfreiheit, Markus Grübel, erinnerte ebenfalls an das Schicksal der vermissten jesidischen Frauen und Mädchen. »Auch wenn jesidische Familien aus den Flüchtlingslagern in ihre Heimat zurückkehren; die Voraussetzungen für ihre sichere Bleibe müssen erst geschaffen werden«, sagte er.
DÖRFER Viele Dörfer seien zerstört, Gebiete vermint. Die »psychischen Wunden von grausamer Verschleppung, Versklavung und dem Verlust von Familienangehörigen« blieben.
Die entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Helin Evrim Sommer, sagte, der wissenschaftliche Dienst des Parlaments habe die jüngsten türkischen Angriffe im Nordirak als völkerrechtswidrig eingestuft.
Die Bundesregierung dürfe nicht weiter »den unbeteiligten Statisten spielen«, während der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan »einen Flächenbrand anzettelt und religiöse und ethnische Minderheiten wie die Jesiden terrorisiert«. kna