Heidenau

Hier ist nichts bunt

Protest gegen ein Asylbewerberheim am Samstagabend im sächsischen Heidenau Foto: dpa

Am frühen Sonntagabend ist es ruhig in Heidenau. Die Polizei zeigt Präsenz. Verstärkt wird sie durch die Bundespolizei und durch die sächsischen Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten (BFE). Das ist eine auf die Bekämpfung von Unruhen spezialisierte Einheit der Bereitschaftspolizei.

An den Vortagen war es anders: Es war nicht ruhig, und die Polizei zeigte kaum Präsenz. Am Freitag und am Samstag war es zu schweren Ausschreitungen gekommen. Dem Aufruf der NPD zu einer Demonstration waren am Freitag etwa 1000 Menschen gefolgt. Im Anschluss an die Kundgebung hatten Rechtsradikale einen Bus zur Umkehr gezwungen.

In ihm saßen Flüchtlinge, die zu einem ehemaligen Baumarkt gebracht werden sollten, der als Aufnahmelager dienen soll. Nach diesem Erfolg der Rechten hatten sie sich mit der Polizei und Nazigegnern Straßenschlachten geliefert, bei denen über 30 Beamte verletzt wurden. Mit letzter Kraft war es den überforderten Beamten gelungen, das Aufnahmelager davor zu schützen, gestürmt zu werden.

kontrolle Heute hat die Polizei an verschiedenen Stellen der Stadt Kontrollpunkte eingerichtet. Sie lässt nur die Menschen durch, die dahinter wohnen. Nicht allen gefällt das. An der Güterbahnhofstraße weisen Polizisten eine Gruppe Jugendlicher ab. Sie wollen »zum Heim« und sind enttäuscht. »Was für ein Quatsch. Wir können uns hier noch nicht einmal mehr frei bewegen.« Die jungen Männer und Frauen ziehen unverrichteter Dinge weiter. Adrett sind sie gekleidet, sehen aus wie Teenager auf dem Weg in die Disco. Innerhalb des gesperrten Bereichs machen Erwachsene Witze über die Sicherheitsvorkehrungen. Ein Mann um die 50 ruft seiner Nachbarin zu, sie solle sich ja nicht mit einem Stein erwischen lassen. Alle lachen.

Die Atmosphäre ist entspannt an diesem warmen Sommerabend in der netten aufgeräumten Kleinstadt. Heidenau liegt am Rand der Sächsischen Schweiz. Das klingt nach Abgeschiedenheit und ländlicher Idylle. Aber dem ist nicht so. Dresden, die sächsische Landeshauptstadt, ist ganz nah. Faktisch ist Heidenau ein Vorort von Dresden. Mit dem Zug sind es nur gut zehn Minuten in die Innenstadt.

Bei den Straßenschlachten kamen sie alle zusammen: Heidenauer, Dresdner und wohl auch die Kameraden aus den als rechtsextreme Hochburgen bekannten Orten der Sächsischen Schweiz: Sebnitz, Pirna oder Bad Schandau.

Der Eindruck, den man in den letzten Tagen öfter vermittelt bekam, da sei so etwas wie eine Welle über die friedlichen Bürger einer beschaulichen Kleinstadt geschwappt, ist falsch: Heidenau ist eine Nazihochburg. Die NPD erhielt hier bei der letzten Kommunalwahl stattliche 7,5 Prozent. Die SPD gerade einmal 6,3 Prozent. Die NPD gehört hier dazu, Rechtsradikale sind angesehene und respektierte Mitbürger – solange sie sich ordentlich verhalten. Steine werfen, Polizisten angreifen, das sieht man nicht gerne und ist vor allem schlecht fürs Image des Ortes.

Auf dem mittlerweile deutschlandweit bekannten Parkplatz gegenüber dem Flüchtlingsheim haben sich an diesem Abend ein paar Dutzend Nazigegner versammelt. Die meisten sind zugereist, gut 300 Anhänger der Dresdner Antifa werden sie an diesem Abend zur Verstärkung kommen und durch die Stadt ziehen. Alles bleibt friedlich, bis sie Nazis an einer Tankstelle entdecken und angreifen. Am Abend vorher waren sie noch von Rechtsradikalen am Bahnhof mit Steinen beworfen worden.

gebet Zwei ältere Heidenauer geben Interviews, plädieren für ein freundliches, buntes und offenes Heidenau, das es so nur in ihren Wünschen gibt. Deutlich wird das auch in einem Aufruf zum »Gebet für unsere Stadt« von drei Heidenauer Pfarrern. »Mit der überraschenden Einrichtung eines Erstaufnahmelagers für Asylbewerber in Heidenau wurden verständlicherweise Befürchtungen geweckt, dass Ruhe, Ordnung und Sicherheit in unserer Stadt in Gefahr sind«, heißt es in dem Schreiben, in dem vor eigenmächtigem Eingreifen gewarnt wird: »Falls es unter Asylbewerbern zu Gewalt kommt, ist Hass von außen kontraproduktiv«.

Auch zwischen Nazis und ihren Gegnern möchte man nicht unterscheiden: »Fremdenfeindliche Demonstranten und gewaltbereite Gegendemonstranten«, heißt es, stellten eine Gefahr für »den Frieden in unserer Stadt« dar. Die Pfarrer warnen auch davor, mit den Rechtsextremen »zu sympathisieren und ihnen damit moralischen Rückhalt zu geben«. Erstmal ist es ruhig in Heidenau. Und am Mittwoch kam die Bundeskanzlerin.

Berlin

Kreise: Union will Gesetz doch zur Abstimmung stellen

Hinter verschlossenen Türen wurde in den Unionsparteien viel über das »Zustrombegrenzungsgesetz« gesprochen. Nun gibt es laut Teilnehmern eine Entscheidung

 31.01.2025

Nahost

EU startet Einsatz von Grenzschützern in Rafah

Die Wiedereröffnung des Grenzübergangs nach Gaza gilt als eine Voraussetzung dafür, dass das durch den Krieg der Hamas verursachte Leiden der Zivilbevölkerung im Gazastreifen gelindert werden kann. Jetzt sind EU-Experten vor Ort

 31.01.2025

Berlin

Kränze am Holocaust-Mahnmal zerpflückt und Zeugen angegriffen

Der Polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts ermittelt

 31.01.2025

Berlin

Wolffsohn: »Wechselnde Mehrheiten für wechselnde Themen«

Der Historiker verteidigt das Vorgehen der CDU im Bundestag. Er hofft auf ein »Zurückschrumpfen« der Rechtsextremen im Parlament

 31.01.2025

Berlin

Bundestag entscheidet über Migrationsgesetz - Nur mit der AfD?

Die Union will am Freitag ihr sogenanntes Zustrombegrenzungsgesetz zur Abstimmung bringen. Es könnte erneut zu einer Mehrheit mithilfe der AfD kommen

 31.01.2025

Interview

»Niemand soll jetzt die Hände in Unschuld waschen«

Michel Friedman über seinen Austritt aus der CDU, die Debatte um Friedrich Merz und die Bedeutung von Glaubwürdigkeit in der Politik

von Michael Thaidigsmann  30.01.2025

Frankfurt am Main

»Antisemitische Reaktion« im Studio des Hessischen Rundfunks

Die deutsch-israelische Informatikexpertin Haya Schulmann erhebt schwere Vorwürfe gegen eine Moderatorin und die Redaktion des Hessischen Rundfunks

von Imanuel Marcus  30.01.2025 Aktualisiert

Frankfurt

»Unentschuldbares Machtspiel«: Michel Friedman tritt aus CDU aus

Friedrich Merz habe mit der Abstimmung im Bundestag die »Büchse der Pandora« geöffnet, so der Publizist

 30.01.2025

Geiselabkommen

Sorge um das Schicksal der verbliebenen deutschen Geiseln

Tut die Bundesregierung genug für ihre verschleppten Staatsbürger in Gaza? Kritiker haben daran Zweifel

von Detlef David Kauschke  30.01.2025