Als Hassan Rohani, der iranische Präsident, nach New York flog, um vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen zu sprechen, hatte er einen Juden dabei. Sein Name ist Siamak Moreh Sedgh, ein Arzt; er vertritt die jüdische Minderheit im Majlis, dem iranischen Parlament.
Die israelische Tageszeitung Haaretz meldete, dies sei das erste Mal, dass ein iranischer Präsident in Begleitung eines Juden vor der UNO auftritt. Aber das stimmt nicht. Siamak Moreh Sedgh hatte 2009 schon Rohanis Vorgänger begleitet, den unvergessenen Mahmud Ahmadinedschad. Allerdings war er damals nicht allein gewesen, Ahmadinedschad hatte alle fünf Vertreter der Minderheitenreligionen aus dem Majlis mitgebracht: einen Juden, zwei Christen, zwei Zoroastrer. Der Zweck war damals genau derselbe wie heute: Der iranische Staatspräsident wollte demonstrieren, wie tolerant die Islamische Republik Iran doch in religiösen Fragen sei.
Antizionist Nun ist Siamak Moreh Sedgh ein sehr merkwürdiger Vertreter des Judentums: stramm antizionistisch, des Lobes voll über das Regime, das sein Land regiert. Antisemitismus? Gebe es im Iran nicht, sagte er vor drei Jahren im Interview mit einer russischen Nachrichtenagentur. Antisemitismus sei doch ein rein europäisches Phänomen, allein in Teheran gebe es 17 Synagogen.
Leute, die schon etwas älter sind, fühlen sich durch Siamak Moreh Sedgh an einen bestimmten Typus sowjetischer Juden erinnert: an Leute, die sich erpressen oder verführen ließen, Jubelarien auf die weise Kommunistische Partei zu singen. Der Antizionismus – Israel als »imperialistischer Aggressor« und so weiter – klingt bis in die Wortwahl hinein gleich.
Iranische Juden außerhalb der Islamischen Republik reden ein wenig anders. Im Zuge seiner Charmeoffensive hatte Hassan Rohani (der bekanntlich als moderat gilt) der Iranian American Jewish Federation ausrichten lassen, er würde sich gern mit Vertretern der iranisch-jüdischen Gemeinde in den Vereinigten Staaten treffen. Dieses Treffen hätte in Anwesenheit des iranischen Außenministers Mohammad Dschawad Zarif und des besagten Siamak Moreh Sedgh stattfinden sollen.
falsche botschaft Aber Sam Kermanian, der die Iranian American Jewish Federation berät, hat die Einladung ausgeschlagen. Er habe sich mit anderen hochrangigen Vertretern amerikanisch-jüdischer Organisationen beraten, unter anderem mit Malcolm Hoenlein, der zu den Präsidenten der größeren jüdischen Organisationen gehört. Und sie seien übereingekommen, dass ein Treffen mit Rohani »der amerikanischen Regierung und Öffentlichkeit zu diesem sensiblen Zeitpunkt die falsche Botschaft vermitteln würde«.
Sam Kermanian sagte ferner: Den Ausschlag bei der Entscheidung, Rohani nicht zu treffen, habe eine Stelle in einem Interview mit der Fernsehjournalistin Ann Curry gegeben, das der Sender NBC ausstrahlte. Curry hatte den iranischen Präsidenten gefragt, ob er – wie sein Vorgänger – denn auch glaube, beim Holocaust handle es sich um einen Mythos. Rohani antwortete: »Ich bin Politiker, kein Historiker.«
In einer Rede vor der UNO-Vollversammlung am Dienstag verurteilte Rohani die amerikanischen Sanktionen, forderte »Respekt« gegenüber dem Regime, das er vertritt, und beteuerte, nie und nimmer habe die Islamische Republik versucht, eine Atombombe zu bauen. Gleichzeitig bestand er aber auf dem Recht, Uran anzureichern. All dies war zu erwarten. Im Vorfeld der Rede kam es nicht zu einem Handschlag mit US-Präsident Barack Obama. »Zu kompliziert« wäre eine solche Geste, hieß es aus dem Umfeld des amerikanischen Außenministeriums. Allerdings sollen es eher die Iraner als die Amerikaner gewesen sein, die jenen Handschlag verweigerten.
Atombombe Der israelische Botschafter in Amerika, der eloquente Michael Oren, hatte schon in einer Talkshowrunde im Vorfeld darauf hingewiesen, dass Hassan Rohani derselbe Mann sei, der sich bereits 2006 gebrüstet habe, dass er den Europäern bei Verhandlungen ins Gesicht gelogen habe, während in Isfahan das geheime Atomwaffenprogramm enorme Fortschritte machte. Mike Rogers, ein Republikaner im Repräsentantenhaus, der dem Geheimdienstausschuss des Kongresses vorsteht, bezeichnete nun Hassan Rohanis Behauptung, der Iran habe nie an einer Atombombe gearbeitet, in einem CNN-Interview als »horse shit« – also: völligen Blödsinn.
Barry Curtiss-Lusher sagte im Namen der Anti-Defamation League im Kern dasselbe: »Präsident Rohanis Charmeoffensive vor den Vereinten Nationen hat in keiner Weise die harten Realitäten des jahrzehntelangen iranischen Strebens nach Atomwaffen angesprochen. Gewiss, in der Rede gab es den offenen Antisemitismus früherer Präsidenten nicht, und Rohani hat zu Verhandlungen aufgerufen. Aber er verteidigte das Atomprogramm des Iran und seine angeblich friedlichen Zwecke, seine Unschuld und Ehrlichkeit in allen Fragen mit genau denselben Plattitüden.«
heuchelei Der »Höhepunkt der Heuchelei« sei es gewesen, dass der iranische Präsident – trotz der langjährigen Unterstützung des Iran für den Terrorismus und trotz einiger der schändlichsten gewalttätigen Angriffe in der Geschichte – »den ›Terrorismus‹ gegen den Iran verurteilte und vorschlug, der Iran solle eine internationale Koalition mit dem Namen ›eine Welt gegen Gewalt und Extremismus‹ anführen«, so Curtiss-Lusher weiter.
Im Grunde habe Rohani die wichtigste Botschaft in Obamas Rede vor der UNO am Vormittag missachtet, dass nämlich »versöhnliche Worte von Taten begleitet werden müssen, die transparent und überprüfbar sind«, sagte Curtiss-Lusher. »Rohanis Rede enthielt keine Hinweise, dass es bald Taten von Bedeutung geben wird. Die internationale Gemeinschaft muss die starken Sanktionen gegen den Iran beibehalten und klarmachen, dass alle Optionen offen bleiben, solange der Iran unverschämt seine internationalen Verpflichtungen verletzt.«