Am vergangenen Wochenende hat Peter Feldmann einen »riesigen Adrenalinstoß« bekommen. Denn nach der jüngsten Prognose wird der SPD-Kandidat bei der Frankfurter Oberbürgermeisterwahl am 11. März viel besser abschneiden, als noch vor zwei Monaten vermutet wurde.
Dass sich der Abstand zu seinem Konkurrenten Boris Rhein (CDU) verringert hat, gibt dem Sozialdemokraten einmal mehr Schwung: Für Rhein wollen derzeit 30 Prozent, für Feldmann 22,3 Prozent stimmen. Damit legt Feldmann im Vergleich zur Umfrage im Januar um 2,9 Punkte zu, und Rhein verliert 2,1 Punkte. Seit er diese Zahlen kennt, absolviert Peter Feldmann seine Termine bis zur OB-Wahl am kommenden Sonntag mit der Gewissheit, dass es eine Stichwahl geben wird.
termine Der Kalender des OB-Kandidaten, der von seinem Arbeitgeber freigestellt wurde, ist gut gefüllt. Von morgens bis spät in die Nacht ist Feldmann in Frankfurt unterwegs. Wie viele Termine er seit Dezember wahrgenommen hat, weiß Feldmann nicht ganz genau. »Es müssen so um die 800 sein«, vermutet der Betriebswirt, der hauptberuflich bei der Arbeiterwohlfahrt beschäftigt ist. Im Frankfurter Stadtparlament sitzt Feldmann schon seit 1989, seit 2004 ist er zudem stellvertretender Fraktionsvorsitzender.
Dennoch ist sein Bekanntheitsgrad unter den Frankfurtern im Vergleich zu dem seines Konkurrenten geringer. Schon vor seiner Zeit als hessischer Innenminister hatte sich Boris Rhein als Kommunalpolitiker einen Namen gemacht. Feldmann hingegen ist vor allem den Genossen in der eigenen Partei bekannt.
superstar Doch der sozialdemokratische Stadtpolitiker ist fest davon überzeugt, dass Bekanntheit allein nicht reicht. Ihm gehe es um klare Positionen. Seine eigenen beschreibt er so: »Ich stehe für Inhalte. Der Herr Minister aus Wiesbaden für Posen. Ich verpflichte mich für den Kampf gegen Kinderarmut, gegen Wohnungsnotstand, gegen Ausgrenzung der Senioren, für Internationalität und für Bildung.«
Bei der OB-Wahl handele es sich glücklicherweise nicht um eine Entscheidung wie bei »Deutschland sucht den Superstar«, sagt Feldmann und betont: »Menschen, die sich für Kommunalpolitik interessieren, kannten Peter Feldmann auch vorher.«
Und nur die, die ihn näher kennen, wissen, dass er Jude ist. Zwar behält Feldmann, der 2007 den bundesweiten Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten mitbe- gründete, seine Identität als Jude keineswegs für sich; auf die Frage, wie wichtig es ihm ist, dass dies bekannt wird, antwortet er: »Es ist gerade eine Stärke unserer offenen, bürgerlichen und liberalen Stadt, dass dieser Punkt überhaupt kein Thema ist. Religion ist für mich sehr wichtig, aber Privatangelegenheit.«
Auf seine jüdische Herkunft weist Feldmann vor allem dann gerne hin, wenn er der Ansicht ist, dass es für seine Gesprächspartner von Bedeutung sein könnte. Am vergangenen Sonntag beispielsweise, als er zu Gast bei der Frankfurter Loge B’nai B’rith war, da kamen die auf etwa 100 geschätzten Zuhörer wohl auch, weil es sich um einen jüdischen Sozialdemokraten handelt, der Frankfurts Stadtoberhaupt werden will.
gärtner Feldmann beschreibt sich selbst als »religiös eher liberal eingestellt«. Bei seiner politischen Positionierung spiele sein Jude-Sein durchaus eine Rolle. »Meine Härte in Sachen NPD-Verbot erklärt sich sicherlich vor diesem Hintergrund«, betont der OB-Kandidat, der nach dem Abitur in Frankfurt eine Zeitlang in Israel lebte, dort eine Gärtnerausbildung absolvierte und später in Marburg Politik studierte.
»Die Geschichte dieses Landes lehrt uns, dass es infernalisch ist, aus biologistischen Weltvorstellungen politische Forderungen abzuleiten«, sagt Feldmann mit Bezug auch auf die Debatten nach dem Erscheinen von Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab.
Um sein Programm und seine Pläne für die Stadtpolitik zu vermitteln, setzt Feldmann auf Begegnungen und auf Gespräche von Angesicht zu Angesicht. Der OB-Kandidat übernachtet beispielsweise bei Bürgern, die seit der Eröffnung der neuen Landebahn von Fluglärm geplagt sind. Oder er geht auf Wochenmärkte, er zieht von einer Kneipe zur nächsten, oder er klingelt an Haus- und Wohnungstüren. »Guten Tag, ich bin Peter Feldmann, SPD-Kandidat als Oberbürgermeister.« So stellt sich der Mann mit graumeliertem Haar den Bürgern vor.
Dabei wirkt Feldmann scheu und zurückhaltend – auch wenn der Eindruck täuschen kann. Auf jeden Fall muss der sanftmütig anmutende OB-Kandidat, der meist mit rotem Pullover und grauem Schal unterwegs ist, eine dicke Haut haben. Denn so mancher mag dessen »freundliche Art« nicht und macht daraus auch kein Geheimnis. Nicht immer stößt also der Mann mit der leisen Stimme auf offene Ohren. Nicht jeder will sich auf ein Gespräch mit dem unangemeldeten und zuweilen unbekannten Gast einlassen.
handschlag Auch will nicht jeder von Feldmann mit einem Handschlag begrüßt oder verabschiedet werden. Solch eine Szene war unlängst in der Ernst-Reuter-Schule, wo Feldmann selbst Abitur gemacht hat, nach einer Podiumsdiskussion zu beobachten. Als sich Feldmann nach dem Gespräch, das er mit anderen OB-Kandidaten geführt hatte, am Ausgang der Aula postierte, um die Schüler mit Handschlag zu verabschieden, wurde das von manch einem Jugendlichen nicht nur mit netten Worten kommentiert.
Feldmann irritiert das nicht, zumindest nicht nach außen. Und er kann sich mit dem Wissen beruhigen, dass es auch Frankfurter gibt, die Gefallen an Feldmanns verbindlicher Art finden. Immer wieder begegnet der OB-Kandidat Bürgern, die sich im persönlichen Gespräch von dessen Wahlprogramm überzeugen lassen und versichern, für den Sozialdemokraten abstimmen zu wollen.
Das jüngste Umfrageergebnis, das die Frankfurter Rundschau in Auftrag gab und Feldmann auf mindestens 22 Prozent der Stimmen hoffen lässt, deutet darauf hin, dass Feldmanns Strategie aufgeht: nicht nur auf Einladungen zu warten, um den Frankfurtern sich und sein Wahlprogramm vorzustellen.
migranten Ganz besonders setzt Feldmann auf die Bürger mit Migrationhintergrund. Immer wieder hat er in den vergangenen Wochen wahlberechtigte EU-Bürger und eingebürgerte Drittstaatler besucht, dabei die Internationalität Frankfurts betont und auf das Potenzial der Eingewanderten für die Mainmetropole hingewiesen.
Alle Menschen seien aufgefordert, darüber zu diskutieren, »wie wir unsere Stadt noch schöner, noch sozialer, noch erfolgreicher und lebenswerter machen«, sagt Feldmann. Den Wahlkampf beschreibt er als »ein großes Fest«. Eines, das ihm sehr viel Spaß macht. Die Zeit, sagt er, vergehe wie im Flug. »Manchmal wünsche ich mir, sie anhalten zu können.«
Dass seine Lebensgefährtin und seine zweieinhalbjährige Tochter Hannah Lilith vom ewig wahlkämpfenden Peter Feldmann ähnlich begeistert wären, ist nicht sehr wahrscheinlich. Die beiden kriegen ihren Freund und Papa derzeit fast nur auf den Plakaten zu Gesicht, die in ganz Frankfurt hängen.