Wuligers Woche

Herr Bahners und das »A-Wort«

Kaum denkt man, dass es schlimmer nicht mehr kommen könne, tritt Patrick Bahners auf den Plan und beweist das Gegenteil. Der leitende Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sieht die Meinungsfreiheit in Deutschland bedroht. Schuld daran ist das »A-Wort«.

»A« steht für Antisemitismus, ein Vorwurf, der, so Bahners in der FAZ vom vergangenen Freitag, von den »Lobbyisten Israels« systematisch und missbräuchlich eingesetzt wird, um »Kritiker des Zionismus« zum Schweigen zu bringen. Und diese »Leute, welche die Verteidigung der Politik Israels zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben«, sind offenbar übermächtig: »Dieser Meinungskampf ist ein asymmetrischer Konflikt. Nichts müssen Amtsträger in Deutschland so sehr fürchten wie das A-Wort.«

Nonsense Schon das ist offenkundiger Nonsens. Wenn politische Amtsträger in Deutschland etwas befürchten, ist es, abgewählt zu werden. Wegen Antisemitismus ist das bislang noch keinem passiert. »Israelkritik« erhöht die Wahlchancen eher. Man frage Sigmar Gabriel.

Doch Realität zählt nicht, wo einer seine Ressentiments expektorieren will. Und um die geht es Bahners. Im Gestus eines gegen allgewaltige finstere Mächte todesmutig ankämpfenden Märtyrers spult er die üblichen »Man wird doch wohl noch Israel kritisieren dürfen«-Klischees ab. Dass er das vierspaltig in Deutschlands einflussreichster Tageszeitung tun kann, führt sein Gehabe selbst ad absurdum. Bahners’ einstiger Chef, der leider zu früh verstorbene Frank Schirrmacher, der von Antisemitismus und Opfer-Täter-Umkehr einiges verstand, hätte ihm den Text wahrscheinlich links und rechts um die Ohren gehauen.

Denn in Wirklichkeit sind diejenigen, die in Deutschland Antisemitismus anprangern, leider eine kleine Minderheit, die, wie wir nicht erst seit der vergangenen Woche wissen, auf ziemlich verlorenem Posten steht. Entscheidungsgewalt hat sie nur in der Vorstellungswelt von Verschwörungstheoretikern. Und so kann Bahners für seine Fantasie vom Einfluss der »Lobbyisten Israels« nur ein paar dürftige Belege anführen, wie etwa städtische Raumverweigerungen für anti-israelische Veranstaltungen in Frankfurt und München. Gesellschaftliche Macht sieht anders aus.

»Israelkritik« Wenn Patrick Bahners dennoch so gereizt auf das »A-Wort« reagiert, dann wohl deshalb, weil die Benennung dessen, was ist, als das, was es ist, bei ihm einen Nerv trifft. Sich mit dem sachlichen Gehalt des Antisemitismusvorwurfs inhaltlich auseinanderzusetzen, kann oder will er nicht. Stattdessen möchte er das »A-Wort« geächtet sehen. Was Bahners umtreibt, ist nicht, dass »Israelkritik« in Deutschland nicht möglich wäre; ihn stört, dass ihr widersprochen wird. Der vorgebliche Streiter für die Meinungsfreiheit entpuppt sich als Zensor.

»Wo über die Spielräume öffentlicher Kritik an Israel in Deutschland geredet wird«, heißt es in dem FAZ-Kommentar, »bewegt man sich im Reich der Euphemismen, der systematischen Unehrlichkeit«. Vor allem, wenn der Autor Patrick Bahners ist.

Würdigung

Argentiniens Präsident Milei erhält »jüdischen Nobelpreis«

Der ultraliberale Staatschef gilt als enger Verbündeter Israels und hat großes Interesse am Judentum. Das Preisgeld in Höhe von einer Million Dollar will er für den Kampf gegen Antisemitismus spenden

von Denis Düttmann  14.01.2025

Berlin

Vereinigung fordert Ausschluss der AfD bei Holocaust-Gedenken

Die demokratische Einladungspraxis, alle im Parlament vertretenen Parteien einzubeziehen, sei für die NS-Opfer und ihre Nachkommen und für viele demokratische Bürger nicht mehr tragbar

 14.01.2025

New York

46 Prozent aller Erwachsenen auf der Welt haben antisemitische Ansichten

Die Anti-Defamation League hat 58.000 Menschen in 103 Ländern befragt

 14.01.2025

NRW

NRW-Leitlinien für zeitgemäßes Bild des Judentums in der Schule

Mit Büchern gegen Antisemitismus: NRW-Bildungsministerin Feller hat zwölf Leitlinien für die Darstellung des Judentums in der Schule vorgestellt. Denn Bildungsmedien seien ein Schlüssel zur Vermittlung von Werten

von Raphael Schlimbach  14.01.2025

Faktencheck

Hitler war kein Kommunist

AfD-Chefin Weidel bezeichnet den nationalsozialistischen Diktator als »Kommunisten«. Diese These wird von wissenschaftlicher Seite abgelehnt

 14.01.2025

Berlin

Wegen Gaza-Krieg: Syrer beschädigt erneut Gebäude im Regierungsviertel

Erst das Innenministerium, dann der Amtssitz des Bundeskanzlers: Zweimal binnen weniger Tage fasst die Polizei in Berlin einen Mann, der wegen des Gaza-Kriegs wütet

 14.01.2025

Studie

Frauen und jüdischer Widerstand bei Schulnamen unterrepräsentiert

Welche Persönlichkeiten prägen die Namen deutscher Schulen? Eine Studie zeigt: Pädagogen spielen eine große Rolle. Frauen und Juden eher weniger

 14.01.2025

Debatte

»Zur freien Rede gehört auch, die Argumente zu hören, die man für falsch hält«

In einem Meinungsstück in der »Welt« machte Elon Musk Wahlwerbung für die AfD. Jetzt meldet sich der Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner zu Wort

von Anna Ringle  13.01.2025

7. Oktober

Einigung auf Geisel-Deal zum Greifen nahe 

Ein Drei-Stufen-Plan sieht Medien zufolge die Freilassung von Geiseln sowie palästinensischen Häftlingen vor. Das Weiße Haus gibt sich optimistisch, dass bald ein Deal stehen könnte

von Julia Naue  13.01.2025 Aktualisiert