Flüchtlingsheime sind Juden in Deutschland nichts Fremdes. Viele der Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion haben Deutschland zuerst als Bewohner solcher Unterkünfte kennengelernt. Auch sie fühlten sich in einigen Fällen von ihren neuen Nachbarn eher bedroht als willkommen. Daran gilt es sich zu erinnern, wenn wie jetzt in Berlin-Hellersdorf eine Anwohnerinitiative zusammen mit Neonazis und Rechtspopulisten Stimmung gegen ein Wohnheim für Asylbewerber macht, die an diesem Ort eröffnet wurde.
rostock Dass in solch einer Situation Solidarität mit Flüchtlingen gezeigt wird, gehört zum Grundverständnis der Juden in Deutschland. Es war Ignatz Bubis, der 1992 kurz nach dem Pogrom gegen Flüchtlinge in Rostock-Lichtenhagen die Ostseestadt besuchte, während sich der Rest der politischen Elite vor allem um den »Ruf Deutschlands« sorgte und dann das Grundrecht auf Asyl einschränkte. Mit klaren Worten protestierte der damalige Präsident des Zentralrats gegen diesen Schritt.
Solche Zeichen bleiben auch heute wichtig. Es sind nicht alleine »klassische« rechtsradikale Gruppen wie die NPD, die gegen Flüchtlinge hetzen. In Berlin waren es auch die Rechtspopulisten um Pro Deutschland, die ein Klima des Hasses schürten. Zugleich führt die Wirtschaftskrise in Europa dazu, dass aggressive Fremdenfeindlichkeit auch anderswo zunimmt, etwa in Griechenland oder in Italien. Dass dann zugleich antisemitische Verschwörungstheorien vertreten werden, wundert nicht.
grundwerte Es reicht aber nicht, nur bei der Gefahr von Übergriffen die Stimme zu erheben. Im Umgang mit Menschen, die hier Sicherheit und ein Auskommen suchen, erweist sich, ob sich Europa tatsächlich den humanitären Grundwerten verpflichtet fühlt, auf die es sich bezieht. Es sind schon Tausende von Menschen beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren, gestorben. Wer es geschafft hat, kommt in Auffanglager auf Lampedusa und anderswo, die kaum ein menschenwürdiges Leben ermöglichen. Hier muss Deutschland mehr Solidarität zeigen – auch mit den südeuropäischen Ländern.
Mit einer solidarischen Asylpolitik lassen sich selten Wähler gewinnen, doch gerade im Umgang mit dem vermeintlich »Fremden« drücken sich die Werte und Prinzipien einer Gesellschaft aus. Wer, wie die Juden in Deutschland, selbst die Geschichte von Emigration und Immigration erlebt hat, weiß das am besten.
Der Autor ist Historiker und Publizist in Berlin.