Frau Müller, Israelis und Palästinenser reden wieder miteinander. Die Hamas jedoch lehnt die Gespräche ab und möchte sie mit Gewalt sabotieren. Wie geht man mit einem solchen Nachbarn um?
Es ist aufs Schärfste zu verurteilen, dass die Hamas versucht, die Friedensgespräche mit Terror zu torpedieren. Leider muss ich davon ausgehen, dass es noch mehr Störmanöver geben wird, auch von anderen radikalen Gruppen in der Region. Wichtig ist, dass sich die Gesprächspartner nicht davon irritieren lassen, sondern weiter verhandeln.
Sie plädieren für eine neue Strategie im Umgang mit der Hamas. Wie soll die aussehen?
Es kann keinen anderen Umgang mit der Hamas geben, solange sie nicht von Gewalt und Terror ablässt. Aber man muss mittelfristig versuchen, unterhalb der offiziellen diplomatischen Ebene Kontakte zu denjenigen in der Hamas zu knüpfen, die bereit sind, sich auf eine Zwei-Staaten-Lösung einzulassen.
Was halten Sie von einer Zwei-Staaten-Lösung ohne Einbeziehung von Gaza?
Egal, ob man mit der israelischen oder der palästinensischen Seite, der Fatah, redet – beide sagen, eine Lösung ohne Einbeziehung Gazas ist schwer vorstellbar. Also muss man überlegen, wie man mit der Hamas umgeht.
Aber die Hamas-Charta propagiert nach wie vor die totale Zerstörung Israels durch den Dschihad. Lässt sich ein solcher Akteur in einen politischen Prozess einbinden?
Als Ganzes sicher nicht. Aber ich erinnere daran, dass auch die PLO einst eine Terrororganisation war und heute mit am Verhandlungstisch sitzt. Erst, nachdem die internationale Gemeinschaft eine kluge Strategie entwickelt und die PLO erklärt hatte, auf Gewalt zu verzichten, konnte man Gespräche beginnen.
Anfang Juli hat der Bundestag einen Antrag verabschiedet, dass Israel die Gazablockade sofort aufheben soll. Dieser Beschluss trägt vor allem Ihre Handschrift. Stehen Sie trotz der anhaltenden Gewalt, die von der Hamas ausgeht, weiterhin dazu?
Ja. Denn in dem einstimmig vom Deutschen Bundestag beschlossenen Antrag ging es uns um Kritik an einer Politik, die die Bevölkerung des Gazastreifens kollektiv bestraft und letztlich Hamas nicht geschwächt, sondern gestärkt hat.
Am Montag haben Sie an einer Konferenz der Heinrich-Böll-Stiftung in Tel Aviv teilgenommen. Das Thema lautete »Was macht einen Israelfreund aus?« Wie lautet Kerstin Müllers Antwort?
Ein Freund Israels zu sein, heißt, zum Existenzrecht Israels zu stehen und gegen jede Form von Antisemitismus zu kämpfen. Das schließt auch Kritik am Regierungshandeln ein. Doch wenn der Freund in Not gerät, steht man an seiner Seite – auch wenn er guten Rat zuvor in den Wind geschlagen hat. Ich bin eine Freundin Israels. Ich fühle mich dem Land und den Menschen sehr verbunden.
Mit der außenpolitischen Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sprach Tobias Kühn.