Deutschland

Hälfte der Deutschen hat zu jüdischem Leben keine Beziehung

Kinder vor der Synagoge im sächsischen Görlitz (2008) Foto: imago stock&people

Fast jeder zweite Deutsche ist noch nie mit jüdischem Leben in Berührung gekommen.

Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Hanns-Seidel-Stiftung und der Orthodoxen Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD). In diesem Jahr, dem Jubiläumsjahr »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«, wurden 10.000 Bundesbürger ab 18 Jahren befragt.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Dabei zeigte sich, dass viele Menschen nur wenig über jüdisches Leben wissen. Insgesamt 46 Prozent der Befragten sagten, sie seien noch nie direkt mit jüdischem Leben in Kontakt gewesen. So gaben nur 19 Prozent an, durch die Schule etwas über jüdisches Leben erfahren zu haben, 18 Prozent hatten schon einmal eine Synagoge besucht.

Bundesweit fielen die Ergebnisse allerdings sehr unterschiedlich aus. Während durchschnittlich 17 Prozent der Umfrageteilnehmer angaben, jüdische Freunde oder Bekannte zu haben, sagten dies 35 Prozent der Befragten in Frankfurt und 33 Prozent in Berlin. In München waren es 29 Prozent - in Städten mit großen jüdischen Gemeinden also war auch die Wahrscheinlichkeit von Kontakten höher.

BERICHTERSTATTUNG In ländlichen Regionen mit kleinen Gemeinden und ohne regelmäßige jüdische Kulturveranstaltungen dagegen war die Zahl der Menschen ohne jeden Bezug zu jüdischem Leben besonders hoch - im Kyffhäuserkreis (Thüringen) etwa waren dies 61 Prozent der Befragten, im Saale-Orla-Kreis 63 Prozent und im Neckar-Odenwald-Kreis (Baden-Württemberg) 53 Prozent.

Mit einem Anteil von 55 Prozent verband mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer jüdisches Leben am ehesten mit politischen und historischen Ereignissen und einer entsprechenden Medienberichterstattung. So nannte fast jeder Fünfte den Holocaust, 14 Prozent der Befragten nannten Antisemitismus und Angriffe auf Juden und 22 Prozent die Politik im Nahen Osten und Israel als Wahrnehmung des jüdischen Lebens.

»Das ist ein trauriges Ergebnis und zeigt, dass in der Gesellschaft, etwa in Schulen, Bildungseinrichtungen oder den Medien mehr über jüdisches Leben und den Beitrag von Juden für unsere Gesellschaft vermittelt werden muss«, kommentierte der Vorstand der Orthodoxen Rabbinerkonferenz die Resultate der Umfrage.

NARRATIVE »Die Umfrage zeigt, dass jüdisches Leben in Deutschland für viele abstrakt bleibt«, sagte Philipp Hildmann, Leiter des Kompetenzzentrums Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Interkultureller Dialog der Hanns-Seidel-Stiftung. »Statt Neugierde ist eine Distanz entstanden, die durch mehr Bildung und Wissensvermittlung dringend aufgelöst werden muss.« Indem die Wahrnehmung eher auf den Nahostkonflikt als auf die in Deutschland lebenden jüdischen Menschen konzentriert sei, »wird man den hier lebenden Juden in keiner Weise gerecht«, so Hildmann.

»Über die positiven Beiträge des Judentums zur deutschen und europäischen Kultur ist nach wie vor viel zu wenig bekannt, und es ist selten ein Thema an Schulen oder in Medien«, bedauerte auch der Vorstand der Rabbinerkonferenz. »Das sind elementare Bausteine, um Distanzen und Vorurteile abzubauen, damit Unwissenheit oder Angst vor dem Fremden nicht länger in Antisemitismus, auf einem falschen Nahostnarrativ basierenden Israel-Hass oder gar in Gewalt gegen hier lebende Jüdinnen und Juden umschlagen, die seit 1700 Jahren ein untrennbarer Teil Deutschlands sind.« dpa

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert