Zum ersten Mal geben führende Linkspartei-Politiker zu: Ja, wir haben bei uns ein Problem mit Antisemitismus, und dem müssen wir uns stellen. Als vor wenigen Wochen die Diskussion darum gerade wieder entbrannt war, versuchte der Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi, diese durch einen Beschluss auch gleich wieder zu beenden, indem er einem Boykott israelischer Produkte ebenso wie der Forderung nach einer Ein-Staaten-Lösung eine klare Absage erteilte. Auch die erneute Beteiligung an der geplanten Gaza-Flottille wurde von der Partei ausgeschlossen.
Parteibeschluss Gleichwohl wird die innerparteiliche Kritik an Gysi immer lauter. Auf der einen Seite. Auf der anderen unterstützen Professoren wie Mario Keßler und Theodor Bergmann, die der Linkspartei politisch nahestehen, das umstrittene Fraktionsvotum. Dies freilich heißt: Der Streit ist in vollem Gange. Gysi hat sich verkalkuliert. Der Riss innerhalb der Linkspartei hinsichtlich der Frage nach dem Zusammenhang von Antizionismus und Antisemitismus geht viel tiefer und könnte letztlich dazu führen, dass die grundlegenden Differenzen nicht mehr zu kitten sind. Mittlerweile hat sich auch Dieter Graumann geäußert, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Er bemängelte die halbherzigen Versuche der Linken, sich von antisemitischen Positionen klar abzugrenzen. Zu Recht. Gut an all dem ist zumindest, dass die Debatte über linken Antisemitismus nicht einfach per Parteibeschluss beendet werden kann. Sie geht weiter. Mit ungewissem Ausgang.
Der Autor ist Gründungsmitglied des BAK Shalom in der Linkspartei und Co-Autor der Studie »Antisemiten als Koalitionspartner?«