Der 30. Juni 2017 wird als Feiertag in die Geschichte der deutschen LGBT-Bewegung eingehen: An diesem Tag nämlich sagte der Bundestag Ja zur »Ehe für alle«. Zuvor hatte die Regierungskoalition ihre Abgeordneten vom Fraktionszwang befreit und die Abstimmung über die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen zu einer Gewissensentscheidung erklärt.
Gleiche Rechte, gleiche Pflichten: Diese Entscheidung war längst überfällig. Homosexuelle Frauen und Männer nehmen genauso wie alle anderen Menschen in Deutschland und Europa unersetzliche Positionen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft ein. Man findet sie in der Medizin, in der Politik, als Lehrkräfte, und, ja, auch in Gotteshäusern.
gesellschaft Wie kann man es mit sich vereinbaren, Menschen die gleichen Rechte zu verweigern, die nicht nur die gleichen Gefühle füreinander empfinden, sondern auch für die Gesellschaft nichts anderes leisten als der Rest? Ich war geschockt, als vor wenigen Jahren einem Studienfreund eine Stelle als Religionslehrer in einer jüdischen Gemeinde im Rheinland vorgeschlagen wurde und dann aufgrund seiner Homosexualität wieder abgesagt wurde. 2017 klingelte überraschend sein Telefon: Die selbe Gemeinde bot ihm erneut die Stelle an. Er lehnte ab.
Deutschland und diese Gemeinde haben in diesem Jahr vielleicht verstanden, was die israelische Gesellschaft ihnen Jahre voraus hat: Anfang der 90er-Jahre forderten homosexuelle Soldatinnen und Soldaten ihre Rechte ein – schließlich riskiere man sein Leben für die Sicherheit des Landes.
Das führte dazu, dass die Knesset 1993 den Schutz von Schwulen, Lesben und Bisexuellen im Wehrdienst gesetzlich verankerte und seit 2006 im Ausland geschlossene »Homo-Ehen« gleichstellte. Deutschland und Israel sind sich einig: Der Umgang mit Minderheiten bleibt das entscheidende Kriterium, das liberale von nichtliberalen Gesellschaften unterscheidet.
Der Autor ist ELES-Alumnus und studiert Sozialwissenschaften in London und Tartu.