Stuttgart

Gut behütet

Mit Uniformmütze: Rabbiner Shneur Trebnik (l.) und Rabbiner Moshe Flomenmann mit Innenminister Thomas Strobl (M.) Foto: picture alliance/dpa

Mit jeweils einer Uniform-Schirmmütze hieß Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) die Rabbiner Moshe Flomenmann und Shneur Trebnik symbolisch in der Landespolizei willkommen. Bereits am 1. Januar wurden beide berufen und am vergangenen Montag – nach pandemiebedingter Verzögerung – bei einer Feierstunde im Stuttgarter Innenministerium offiziell ins Amt eingeführt.

Der badische Landesrabbiner Flomenmann und der Ulmer Gemeinderabbiner Trebnik sind nun seit gut acht Monaten zusätzlich als Polizeirabbiner tätig, haben bereits verschiedenste Gespräche geführt und an polizeilichen Ausbildungsmaßnahmen mitgewirkt. Im Rahmen des Unterrichtsprojekts »Jüdisches Leben in Deutschland« vermitteln sie angehenden Polizeibeamten Wissen über das heutige Judentum.

ERFAHRUNGEN Rabbiner Flomenmann berichtete von sehr positiven Erfahrungen: »Wenn man sieht, welche Fragen die jungen Polizistinnen und Polizisten, aber auch ihre Kolleginnen und Kollegen, die schon seit vielen Jahren bei der Polizei ihren Dienst tun, stellen, ist das sehr ermutigend. Das Interesse, mehr über das Judentum zu erfahren, ist sehr groß.« Ihm sei es dabei wichtig, Wissen und Gefühl zu verbinden, etwas wie Normalität zu vermitteln. »Oft wird Judentum auf Antisemitismus und Schoa reduziert. Aber wir wollen jüdisches Leben auch positiv präsentieren.« Nur über einen gemeinsamen Dialog könne Verständnis füreinander und Vertrauen zueinander weiter gestärkt werden, so Rabbiner Flomenmann.

Rabbiner Trebnik machte deutlich, dass es wichtig sei, die interkulturellen Kompetenzen innerhalb der Polizei weiterzuentwickeln. Dabei sei er sich der großen Aufgabe bewusst, die zwei Polizeirabbiner gegenüber den rund 34.000 Bediensteten haben: »Wir werden wahrscheinlich nicht alle erreichen. Aber uns ist jede und jeder Einzelne bei der Polizei wichtig. Wenn wir deren Meinung und Wissen über jüdische Menschen und das Judentum nur etwas verbessern können, dann haben wir schon viel erreicht.«

Am 30. Dezember wurde die »Vereinbarung über die Benennung von Polizeirabbiner/innen sowie deren Arbeit in der Polizei des Landes Baden-Württemberg« unterzeichnet. Neben der Vermittlung von Wissen über das jüdische Leben sollen die Rabbiner den Beschäftigten der Polizei und deren Angehörigen als Vertrauens- und Ansprechpersonen zur Verfügung stehen. Sie sollten auch als Seelsorger für jüdische Polizisten tätig sein. Doch zu deren Zahl gebe es keine genauen Angaben. Innenminister Strobl sagte, er vermute, dass es allenfalls eine zweistellige Zahl von Beschäftigten sei.

»Wir festigen das gegenseitige Vertrauen und tragen das Wissen über die jüdische Kultur in die Polizei hinein.«

Innenminister Thomas Strobl

Rami Suliman, Vorsitzender der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden und Mitglied des Zentralratsdirektoriums, versicherte, die Polizei habe mit den Rabbinern »kompetente und authentische Ansprechpartner für alle Fragen des jüdischen Lebens«. Er unterstrich, dass Baden-Württemberg »wieder einmal« eine Vorreiterrolle spiele: Als erstes Bundesland sei hier ein Antisemitismusbeauftragter berufen worden, und als erstes Bundesland sei auch hier die Einsetzung von Polizeirabbinern vereinbart worden.

GRUSSWORT Die Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg, Zentralrats-Präsidiumsmitglied Barbara Traub, sprach von Neuland, das man gemeinsam betrete, man könnte »ein Projekt ohne Beispiel zu einem beispielgebenden Erfolg führen«. Die jüdische Gemeinschaft sei stolz, durch die Entsendung der Rabbiner einen zusätzlichen Beitrag zur Sicherung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Landes zu leisten.

Traub verwies in ihrem Grußwort auch auf die anwachsende Zahl judenfeindlicher Straftaten, lobte dabei ausdrücklich das Maßnahmenpaket Baden-Württembergs zum Schutz der Gemeinden und zur Prävention der Entstehung und Ausbreitung von Antisemitismus.

Innenminister Thomas Strobl sagte: Hass und Hetze, die Antisemitismus verstärken, gelte es entschieden zurückzuweisen und »auszulöschen, bevor sich ein Feuer entwickelt«. Juden müssten in Deutschland »nicht nur sicher sein, sondern sich auch sicher fühlen«. Mit der Amtseinführung der Polizeirabbiner »festigen wir das gegenseitige Vertrauen und tragen das Wissen über die jüdische Kultur in die Polizei hinein«, sagte er.

Das bundesweit einmalige Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt.

Das bundesweit einmalige Projekt ist zunächst auf zwei Jahre angelegt. Die Frage beim Podiumsgespräch, ob das Vorhaben danach fortgeführt werden soll, beantwortete der Minister spontan und entschlossen mit einem Ja.

Strobl berichtete dann noch, dass er in zahlreichen Gesprächen erfahren habe, dass sich die Polizisten auf die Rabbiner freuen »und sie herzlich willkommen heißen«. Die zeigten sich ihrerseits erfreut, nahmen auch dankbar die Uniformmützen entgegen – aber werden im rabbinischen Alltag dann wohl doch bei der gewohnten Kopfbedeckung bleiben: Kippa und Hut.

Meinung

Wenn deutsche Ex-Diplomaten alle antiisraelischen Register ziehen

Deutschland darf nicht länger schweigen? Eine Erwiderung von Daniel Neumann auf den vielsagenden »FAZ«-Gastbeitrag ehemaliger Botschafter

von Daniel Neumann  18.04.2025

Einspruch

Niemals vergessen!

Eva Umlauf will nicht hinnehmen, dass immer mehr Deutsche einen Schlussstrich unter die NS-Zeit ziehen möchten

von Eva Umlauf  18.04.2025

Meinung

Der verklärte Blick der Deutschen auf Israel

Hierzulande blenden viele Israels Vielfalt und seine Probleme gezielt aus. Das zeigt nicht zuletzt die Kontroverse um die Rede Omri Boehms in Buchenwald

von Zeev Avrahami  18.04.2025

Kommentar

Bis zuletzt wollte Mustafa A. aus Lahav Shapira einen Täter machen

Dem Täter tue es leid, dass sein Angriff »instrumentalisiert wird, um jüdischen Bürgern Angst einzuflößen«. Ein unverfrorener Satz

von Nils Kottmann  17.04.2025

Berlin

Drei Jahre Haft für Mustafa A.

Der Prozess gegen den Angreifer von Lahav Shapira ist am Donnerstag zu Ende gegangen. Das Amtsgericht Tiergarten ging von einem antisemitischen Motiv aus und sprach den Täter der gefährlichen Körperverletzung schuldig

 17.04.2025

Berlin

100 Strafverfahren nach Besetzung der Humboldt-Universität

Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Hausfriedensbruch und Volksverhetzung. Während der Besetzung sollen Aktivisten mutmaßlich Urin aus einem Fenster geschüttet haben

 17.04.2025

Analyse

Kleinster gemeinsamer Nenner

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht kaum Konkretes über Israel und den Kampf gegen Antisemitismus

von Michael Thaidigsmann  17.04.2025

Berlin

Weitere Zeugenvernehmungen im Prozess gegen Angreifer auf Lahav Shapira

Der Prozess gegen Mustafa A. am Amtsgericht Tiergarten geht weiter. Noch ist unklar, ob am heutigen Donnerstag das Urteil bereits gefällt wird

 17.04.2025

Sebnitz

»Keine Hakennasen«: Jobanzeige eines Dachdeckers sorgt für Empörung

Die Stadtverwaltung der sächsischen Kreisstadt hat gegen den Urheber einer Anzeige im Amtsblatt Strafantrag gestellt

 17.04.2025 Aktualisiert