Jüngst einigte sich die Türkei mit Russland – nach einer diplomatischen Eiszeit und trotz unterschiedlicher Ziele in Syrien – mit Russland und startete eine Offensive in Nordsyrien gegen den IS und gegen kurdische Milizen.
Auch die USA unterstützen den Kampf gegen den IS, fordern aber ein Ende der Angriffe auf die Kurden. Und dann ist da noch Israel, ebenfalls mit einem frischen Abkommen mit der Türkei, mit einem recht guten Draht zu Russland und einer undurchsichtigen Gemengelage vor der eigenen Haustür.
gewinner Die Karten im Nahen Osten werden derzeit neu gemischt, die Lage ist kompliziert, die Zahl der Mitmischer groß, und nach klaren Kooperationslinien und Bündnissen sucht man hier vergebens. Yaakov Amidror, Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats Israels, kann immerhin einige Gewinner und Verlierer der jüngsten Ereignisse benennen. »Gewinner Nummer eins ist Baschar al-Assad. Wer glaubt, er werde bald gestürzt, irrt. Denn im Moment gibt es in der Region keine einflussreiche Kraft mehr, die dieses Ziel verfolgt«, analysiert Amidror. Bisher war das noch die Türkei. Doch die neue Einigung mit Russland habe das verändert.
Nachdem die Türkei im November 2015 einen russischen Kampfjet abgeschossen hatte, herrschte Eiszeit zwischen den beiden Staaten. Seit dem Treffen der Präsidenten Erdogan und Putin im August in Sankt Petersburg aber sind sie wieder auf Versöhnungskurs, Sanktionen werden aufgehoben. »Die Türkei braucht Russland, um die Kurden zu bekämpfen, und dafür müssen sie Kompromisse machen, auch was ihre Forderung angeht, Assad loszuwerden.« Denn Russlands Interesse ist es, das Regime in Damaskus aufrechtzuerhalten.
kurden Gewinner Nummer zwei ist laut Yaakov Amidror die Türkei. Trotz unterschiedlicher Interessen kann sie den Kampf gegen die Kurden weiterführen. »Die größte Angst der Türkei ist ein eigener Kurdenstaat an der Grenze zu Syrien. Das Bestreben nach Autonomie sehen sie als größere Gefahr als den IS«, so Amidror.
Das zeigt auch die Offensive in Nordsyrien in den vergangenen Tagen. »Unsere Operationen werden weitergehen, bis Terrororganisationen keine Gefahr mehr für unsere Bürger sind«, tönte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Er sprach vom IS, von der PKK und ihrem syrischen Ableger YPG. Der IS ist also nur eines der Ziele der türkischen Armee im Grenzgebiet zu Syrien. Sorgen bereitet den Türken die Möglichkeit, dass die kurdischen Milizen der YPG ein großes zusammenhängendes Gebiet erobern könnten.
Als NATO-Mitgliedsstaat stößt die Türkei dabei in Washington auf wenig Verständnis: Die USA sehen den Kampf gegen den IS als vorrangiges Ziel, YPG gilt hier als Verbündeter des Westens. Für die Türkei ist es daher ein Gewinn, immerhin Russland an seiner Seite zu wissen.
Als dritten Gewinner sieht Yaakov Amidror Russland: Putin habe es geschafft, dass die Türkei sich für den Abschuss des Militärjets entschuldigt hat – nachdem sie das lange Zeit ausgeschlossen hatte. Russlands Machtposition im Nahen Osten ist damit gestärkt. »Russland hat heute mehr Einfluss als je zuvor«, so Amidror.
JERUSALEM Vom Rande dieser undurchsichtigen Gemengelage aus blickt Israel gen Norden und will nicht in den Konflikt im Nachbarland hineingezogen werden. »Wir haben rote Linien, wenn die überschritten werden, wird Israel reagieren«, sagt Amidror. »Andernfalls hält sich Israel raus.«
Um aber zu wissen, mit wem man es zu tun hat, hält Israel einen guten Draht zu Russland, sagt Eran Lerman, Sicherheitsexperte des Begin-Sadat-Zentrums an der Bar-Ilan-Universität. Netanjahu habe Putin in letzter Zeit häufiger getroffen als Obama. Zwischen den beiden herrsche ein enger persönlicher Kontakt: »Wir haben zwar unterschiedliche Interessen, wir sind nicht begeistert von Russlands Unterstützung für Assad. Unser Ziel ist es, zu verhindern, dass Syrien als Durchgang für Waffen an die Hisbollah genutzt wird. Aber wir sind mit Russland einig, dass wir uns gegenseitig keine Steine in den Weg legen.«
Dass der Iran und Russland gute Beziehungen pflegen, in Syrien die gleichen Ziele verfolgen und russische Kampfflugzeuge vom Iran aus Angriffe fliegen, ist für Israel zwar kein Grund zur Freude, aber auch nicht zur Sorge. »Das sind zwei verschiedene Dinge. Das wirkt sich nicht auf die Beziehungen zwischen Israel und Russland aus. Wir sind uns eben nur nicht in allem einig«, so Yaakov Amidror.