Im Norden Israels kehrt keine Ruhe ein. Nach dem blutigen Sonntag an der israelisch-syrischen Grenze verstärkt die Armee weiterhin ihre Präsenz auf dem Golan. Erneut hatten Hunderte Palästinenser aus dem Nachbarstaat versucht, nach Israel einzudringen. Der Tag, von den Arabern »Naksa« – Rückschlag – genannt, markiert den Beginn des Sechstagekriegs von 1967.
golan Nach syrischen Angaben wurden bei den Zusammenstößen am Sonntag 23 Menschen getötet. Die israelische Armee hält diese Zahl indes für höchst unwahrscheinlich, da sie »mit Präzision auf die Beine von potenziellen Eindringlingen« gezielt habe. Es sei jedoch nicht möglich, die Zahl zu prüfen, da die Demonstranten allesamt davon abgehalten werden konnten, die Grenze zu überqueren.
Bei einem Zwischenfall soll ein Molotow-Cocktail in ein Minenfeld geworfen worden sein, wobei nach Schätzungen acht bis zehn Menschen ums Leben kamen. »Wir versuchen, den Schaden für Zivilisten so gering wie möglich zu halten«, erklärte Verteidigungsminister Ehud Barak, »aber die Protestierer sind diejenigen, die letztendlich für die Provokation verantwortlich sind«.
Zahal beschuldigt die syrische Regierung, die Proteste absichtlich geschürt zu haben, um von den Unruhen im eigenen Land abzulenken.
Im Gegensatz zum 15. Mai, als es syrischen Palästinensern gelungen war, den Grenzzaun zu durchdringen, war die israelische Armee dieses Mal vorbereitet und hatte Stellung bezogen. Die nächsten Proteste könnten rund um den sogenannten »Al-Quds-Tag« sein, der in dieser Woche an die Einnahme Jerusalems durch die Israelis 1967 erinnert.
Gaza Auch die israelische Marine beobachtet die aktuellen Ereignisse aufmerksam. Denn ein Jahr, nachdem die »Mavi Marmara« in einem Schiffskonvoi von der Türkei aus in Richtung Gazastreifen gefahren war, will Ende Juni eine neue Flottille versuchen, die Blockade zu durchbrechen. Im Mai 2010 war die von der isla- mistischen türkischen Organisation IHH gecharterte Mavi Marmara vor dem Durchbruch der Sperre geentert worden. Neun Menschen kamen dabei ums Leben.
Wie die israelische Marine dieses Mal reagieren wird, ist noch unklar. Fakt ist aber, sagt Wolff Heintschel von Heinegg, Seerechtler der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder, dass Israel »verpflichtet ist, Schiffe daran zu hindern, die Blockade zu durchbrechen«. Sonst werde diese ungültig. Der Iran hat derweil nach eigenen Angaben U-Boote ins Rote Meer geschickt, um »Informationen über Kriegsschiffe anderer Länder« zu sammeln. Begleitet werden die U-Boote von iranischen Kriegsschiffen – ein historisches Novum in internationalen Gewässern.
Ben Gurion Am 8. Juli, wenn gemäß der Hoffnung der Veranstalter die Schiffe in Gaza eintreffen, wollen auch viele Aktivisten auf dem Landweg nach Gaza und ins Westjordanland. »Welcome to Palestine« heißt eine Kampagne, gemäß der Hunderte Protestierer am Ben-Gurion-Flughafen landen wollen, um von dort weiterzuziehen. »Die ›Mission 8. Juli‹ ist keine Urlaubsreise«, heißt es auf der Website der Veranstalter. »Es ist eine Solidaritätsreise.« Parallel zur Flottille plane man, »das Westjordanland und Ostjerusalem aus der Luft anzuvisieren«.
Sophia Deeg, deutsche Mitorganisatorin der Aktion, sagte der Jüdischen Allgemeinen, das zeitliche Zusammentreffen von Flottille und »Mission 8. Juli« sei »eher zufällig«. Erst jüngst hat Deeg zusammen mit dem umstrittenen Linke-Politiker Hermann Dierkes ein Buch mit dem Titel Bedingungslos für Israel? herausgegeben.
Die palästinensische Organisatorin Lubna Marsawa bezieht sich in der Zeitung »Neues Deutschland« positiv auf die jüngsten Grenzdurchbrüche: Die seien »eine Erleuchtung« gewesen. 500 Anmeldungen gäbe es schon, sagt Deeg. »Aus Deutschland sind es nicht so viele wie zum Beispiel aus Frankreich.« Geschlafen wird in Zelten, und trotz der Hitze sollen Olivenbäume gepflanzt werden. Dass dies eigentlich im Frühjahr üblich ist, stört wenig. Es geht ja womöglich gar nicht um Bäume.