Meinung

Grass für Arme

Michael Wuliger Foto: Marco Limberg

Wenn dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Der Komiker Dieter »Didi« Hallervorden versucht sich in hohem Alter jetzt als Kultur- und Gesellschaftskritiker. Zu seinem 80. Geburtstag hat er ein Video auf YouTube gestellt, auf dem der Boulevardkomödiant vor seinem Berliner Theater ein selbst geschriebenes Dankeslied an seine Fans vorträgt. »Ihr macht mir Mut (in dieser Zeit)« heißt es.

Mut macht das gereimte Stück allerdings ausweislich der Reaktionen im Netz vor allem der rechts-linken Querfront von Antiamerikanern, »Israelkritikern« und Verschwörungstheoretikern. Denen hat »Didi« quasi die Hymne der Bewegung geschrieben. Da trällert er zum Beispiel: »Wenn die Börse wieder kracht,/ewig bleibt die Bankenmacht./Willst’n offenes Wort riskieren,/Spekulanten kritisieren,/hängt’n Shitstorm gleich an dir./Magst du Netanjahu nit,/bist du schnell Antisemit!/Super coole Rufmordprofis,/für die sind wir alle Doofis.«

Paranoia In diesen eingängigen Verslein ist alles enthalten, was zur paranoiden ideologischen Grundausstattung von Antisemiten einst und heute gehört: Banken- und Medienmacht (jüdische natürlich, das muss der Dichter gar nicht erst benennen, es versteht sich von selbst), Israel sowieso, und natürlich die Verfolgung derer, die – wie Didi – den Mut haben, die Dinge beim Namen zu nennen.

Kein Wunder, dass, wie Hallervorden selbst mitteilt, sein Liedchen bei Extremisten links wie rechts Anklang gefunden hat. Oder, um des Meisters Reime zu zitieren: »Allein in diesen Zeiten, gegen Lügenprofis fighten, fühlt man sich ganz oft beschissen, dann war es gut, euch nah zu wissen.« Und weil Hallervorden, anders als Günter Grass 2012 mit seinem Anti-Israel-Gedicht »Was gesagt werden muss«, ein Freund des Endreims ist, ist für populäre Breitenwirkung gesorgt. Sein Lied kann jeder mitsingen. Und wer mag, kann auch seinem Beispiel folgen und, wie am Schluss des Videos, eine Zeitung verbrennen (für Bücher hat es diesmal nicht gereicht).

Einen Extremisten, gar von rechts, wird Hallervorden sich deshalb jedoch nicht nennen lassen. Da sei Gott (und notfalls Didis Anwalt) vor. Schließlich stiftet er die Einnahmen aus dem Song für syrische Flüchtlinge. Und gegen eventuelle Antisemitismusvorwürfe ist der Schauspieler auch gefeit. Hat er doch erst vor ein paar Wochen in der ARD einen leibhaftigen jüdischen Schoa-Überlebenden gespielt. Das allerdings war nur eine Rolle. Auf YouTube zu sehen ist der echte Hallervorden.

Der Autor ist Publizist in Berlin.

Gazelle Sharmahd

»Deutschland muss aufhören, immer alles falsch zu machen«

Die Tochter des im Iran getöteten Deutschen Jamshid Sharmahd wirft der Bundesregierung eine gescheiterte Iran-Politik vor. Ein Interview

von Michael Thaidigsmann  22.12.2024

Meinung

Eine Replik von Eva Menasse auf Lorenz S. Beckhardts Text »Der PEN Berlin und die Feinde Israels«

von Eva Menasse  21.12.2024

Debatte

Nach Eklat in Darmstadt: Felix Klein vermisst hassfreien Raum für palästinensisches Leid

Antisemitismusbeauftragter: Verständnis für palästinensisches Leid wird vereinnahmt

 20.12.2024

Meinung

Der AfD-Claqueur

Elon Musk hat sich als Unterstützer der AfD geoutet. Das sollte seinen Anhängern in Deutschland eine Warnung sein

von Michael Thaidigsmann  20.12.2024

Meinung

Der PEN Berlin und die Feinde Israels

In der Schriftstellervereinigung konnte eine Resolution BDS-naher Autoren gerade noch abgewendet werden. Alles gut also? Nicht wirklich

von Lorenz S. Beckhardt  20.12.2024

Hessen

Darmstadt: Jüdische Gemeinde stellt Strafanzeige gegen evangelische Gemeinde

Empörung wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024 Aktualisiert

Debatte

Darmstadt: Jetzt meldet sich der Pfarrer der Michaelsgemeinde zu Wort - und spricht Klartext

Evangelische Gemeinde erwägt Anzeige wegen antisemitischer Symbole auf Weihnachtsmarkt

 19.12.2024

Hessen

Nach Judenhass-Eklat auf »Anti-Kolonialen Friedens-Weihnachtsmarkt«: Landeskirche untersagt Pfarrer Amtsausübung

Nach dem Eklat um israelfeindliche Symbole auf einem Weihnachtsmarkt einer evangelischen Kirchengemeinde in Darmstadt greift die Landeskirche nun auch zu dienstrechtlichen Maßnahmen

 19.12.2024

Roman Schwarzman

Holocaust-Überlebender aus Ukraine hält am 27. Januar Rede beim zentralen Gedenken im Bundestag

Im kommenden Jahr jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 80. Mal. Zur Gedenkstunde im Bundestag wird ein Holocaust-Überlebender aus Odessa erwartet

 19.12.2024