Vegetarier bin ich nicht, ganz im Gegenteil: Ich liebe Fleisch. Allein der Geruch eines Steaks, einer Wurst, einer Hähnchenkeule reicht aus, um mir das Wasser im Munde zusammenlaufen zu lassen. Ganz zu schweigen von leckerer Hühnersuppe – dem »jüdischen Penicillin« –, ohne die ich vor Kurzem eine schwere Bronchitis kaum überlebt hätte. Ich bin bekennender Fleischfresser – ob nun aus der Bratpfanne, aus dem Ofen oder vom Grill. Ein richtig zubereiteter Braten ist für mich eine Frage der Spiritualität.
»Veggie Day«? Nein danke! Das Judentum ist keine fleischlose Religion – und das schon seit den Zeiten, als der Tempel in Jerusalem noch stand. Der Opferkult in Jerusalem war, um es mit heutigen Worten zu sagen, ein riesiges »heiliges Barbecue«. (Und selten fand man einen Kohen, einen Hohepriester, der keinen Bock zu opfern hatte.) Befragt man die Tora, so stellt sich heraus, dass Gott das Essen von Fleisch ausdrücklich befürwortet.
missverständnis Natürlich gibt es seit eh und je Menschen, die behaupten, man solle kein Tier essen, weil in den Zehn Geboten geschrieben stehe: »Du sollst nicht töten«. Das aber ist ein Missverständnis und zeigt, dass diese Menschen den Text nicht richtig gelesen haben. Denn erstens lautet das fünfte Gebot im 2. Buch Mose 20,13 wörtlich: »Du sollst nicht morden« – ein Verbrechen, das nur an Menschen und nicht an Tieren begangen werden kann.
Zum Zweiten erhält Mosche nur acht Verse später den göttlichen Befehl: »Einen Altar aus Erde sollst du mir errichten und auf ihm ... deine Schafe und deine Rinder schlachten.« Fleisch zu essen ist also keine Sünde! Auch Gott selbst liebte, so die Tora, den Geruch von gebratenem Fleisch. Es war »Reijach Nichoach«, sein Lieblingsgeruch.
Im babylonischen Talmud, Traktat Pessachim 109a, sagt Rabbi Jehuda ben Beteira: »Solange der Tempel stand, gab es keine Simcha – keine Freude – ohne Fleisch.« Für ihn gehörte der Verzehr von Fleisch zu einer heilen Beziehung zwischen Gott und Mensch, verbunden mit dem feierlichen Opferritus.
tierarten Es gibt natürlich strenge Regeln für Juden, welche Tierarten erlaubt sind und welche nicht, wie sie zu prüfen, zu schlachten und für die Mahlzeit vorzubereiten sind. Vor allem dürfen wir kein Blut zu uns nehmen. Das Judentum lehrt: Wir Menschen dürfen – nach bestimmten Regeln – Teile von Gottes Schöpfung, wenn nötig, schlachten oder fangen oder ernten und essen, damit wir selbst weiterleben können. Dass auch die Tiere einmal lebendig waren, ist dabei egal – Fische und Gemüse waren schließlich auch einmal lebendig, bevor sie getötet wurden, um uns als Nahrung zu dienen.
Interessanterweise gibt es keinen besonderen Segensspruch, den wir sagen, bevor wir Fleisch zu uns nehmen – obwohl für die Früchte des Erdbodens, des Weinstocks, des Fruchtbaums besondere Brachot gelten. Sollten wir zum Beispiel Hamburger essen, so sprechen wir eine Bracha über das Brot, nicht über die Frikadelle zwischen den beiden Brotdeckeln.
hamburger Apropos Hamburger: Vor Kurzem wurde bekannt, dass Forscher aus ein paar Rinderzellen plus Mehl, Gewürzen und Geschmacksverstärker einen Burger aus Labor-Hackfleisch gezüchtet haben – Fleisch, das nie zu einer lebenden Kuh (beziehungsweise einem Pferd) gehört hat und also niemals geschlachtet wurde.
Für diejenigen, die gerne Fleisch essen würden und nur darauf verzichten, weil sie kein Leid an lebenden Tieren verantworten möchten, muss das ein wahrer Segen sein. Ob es auch schmeckt, ist doch völlig egal – wenn man bedenkt, welche Arten von Hamburgern sich Verbraucher sonst zu Gemüte führen. Zu diesen hormonverseuchten, maschinenverarbeiteten Fleischresten mit Ketchup kann der Unterschied nicht sehr groß sein!
Doch fast gleichzeitig zur Diskussion um den »Labor-Burger« ist der Fleischverzehr nun zum Wahlkampfthema geworden: Die Vorsitzende der Grünen, Renate Künast, propagiert den Veggie Day und möchte, dass in deutschen Kantinen einmal pro Woche am Donnerstag nur vegetarische Kost angeboten wird. Das soll das Bewusstsein für die Probleme übermäßigen Fleischkonsums schärfen. Für diesen Vorstoß gab es viel Kritik. Also sprang ihr jetzt Parteifreund Jürgen Trittin bei, der betonte, politische Parteien hätten »geradezu die Pflicht, die Bürger auch auf diese Weise für solche Themen zu sensibilisieren«.
essensvorschriften Und ich dachte immer, Parteien hätten wichtigere Aufgaben, als Menschen wie mir Essensvorschriften zu machen. Für mich kommt der Veggie Day nicht infrage. Da denke ich wohl – und das kommt sehr selten vor! – wie die Mehrheit der Bundesbürger. Denn einer Umfrage zufolge halten nur 36 Prozent den vorgeschlagenen Vegetariertag für richtig, 61 Prozent sind dagegen. Davon abgesehen freue ich mich, dass wir nur über Schnitzel und nicht über Beschnittene reden.
Und wenn Sie wissen wollen, was bei mir am kommenden Donnerstag auf den Tisch kommt – ich verrate es Ihnen jetzt schon: Bei mir gibt es Roastbeef!
Der Autor ist Landesrabbiner von Schleswig-Holstein.