Wer dabei war, wird sich noch lange daran erinnern. Die 14. European Maccabi Games, die am Dienstag in Berlin zu Ende gingen, waren ein voller Erfolg. Und das sagen die Teilnehmer selbst. Ihre Zahl war mit 2300 so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte dieses europäisch-jüdischen Sportfestes. Und noch etwas war neu: Noch nie war dieses Ereignis in einer Stadt derart präsent. Die Medien berichteten ausführlich, in den Straßen waren Plakate zu sehen, die gesamte politische Spitze, angefangen beim Bundespräsidenten, war engagiert dabei, die EMG waren Gesprächsthema.
Dabei gab es auch unterschiedliche Meinungen. Manche Beobachter kritisierten, die Spiele, ausgetragen im Olympiapark von 1936, seien geschichtlich überladen gewesen. Keine offizielle Rede kam ohne den Verweis auf die NS-Vergangenheit der Stadt und ihrer Sportstätten aus. Kommentatoren befürchteten einen »Exorzismus«, mit dem Olympiapark und Waldbühne von ihrer Vergangenheit befreit werden sollten. Mancher Politiker schwärmte sogar von der Überwindung der Geschichte. Doch solche Aussagen sind genauso unbedacht wie die ebenfalls geäußerte Meinung, bei den Spielen sollte das Gedenken im Vordergrund stehen.
geschichte Die Geschichte war präsent. Gleichzeitig feierten Sportler und Zuschauer jüdisches Leben in Gegenwart und Zukunft. Das ist ohne die Erinnerung an die Schrecken der Schoa nicht denkbar. Das Gedenken fand ebenso seinen Platz wie der fröhliche Einzug der Aktiven in die Waldbühne, das ungezwungene Zusammensein im zum Makkabi-Dorf umgestalteten Hotel und die ausgelassene Abschlussveranstaltung.
Der Erfolg der EMG schlägt sich sogar im Guinness-Buch der Rekorde nieder: Der größte Kabbalat Schabbat der Welt wurde eben nicht in Tel Aviv oder New York gefeiert, sondern in Berlin. Genauer gesagt, in Neukölln, einem Bezirk, der vielen als »No-Go-Area« für Juden gilt. Die EMG waren von Sicherheit geprägt: Polizei, Personenkontrollen, Security-Personal. Ein großes jüdisches Fest kann nach den Anschlägen von Paris, Brüssel und Kopenhagen kein unbeschwertes und schon gar nicht ein unbewachtes sein. Aber die Sicherheit bei den Spielen hat funktioniert, obwohl es am Rande auch Antisemitismus gab, die Polizei spricht von zwei Vorfällen in Neukölln.
sicherheit Das ist schlimm, keine Frage, aber doch hat sich gezeigt: Wenn die Sicherheit funktioniert, kann ein großes, im Falle der EMG ein sehr großes Fest gefeiert werden. Eines, bei dem niemand ausgeschlossen war. Ganz im Gegenteil. Alle Berliner waren herzlich eingeladen, bei freiem Eintritt. Viele kamen zwar nicht, aber in der Sportmetropole Berlin mit Champions-League-Finale und Bundesligasport ist nicht zu erwarten, dass sich die Zuschauer auf den Tribünen bei den Makkabi-Spielen drängeln. Das Gegenteil wäre beunruhigend, meint der Publizist Micha Brumlik in einem Kommentar in der taz. Recht hat er.
Immerhin: Rund 10.000 Menschen sahen die große Eröffnungsfeier in der Waldbühne, weitaus mehr als bei den European Maccabi Games zuvor in Antwerpen, Rom oder Wien. Die Teilnehmer lobten die Spiele und die Möglichkeit, sich mit Juden aus der ganzen Welt zu treffen.
Für viele sei dieses Gemeinschaftsgefühl selten, sagte zum Beispiel Yaser Sisa im Deutschlandfunk. Er ist Vizepräsident des türkischen Makkabi-Verbandes, dem einzigen, der aus einem islamischen Land vertreten war: »Wir bewerben Makkabi in der Türkei nur in der jüdischen Gemeinde, wir können damit nicht groß an die Öffentlichkeit gehen. Deshalb ist es ein Vergnügen, diese offenen Spiele in Berlin zu erleben.«
ausgrenzung Offene Spiele, ja. Aber nur für Juden? Das wurde teilweise kritisiert – als ob es eine Ausgrenzung wäre, nicht an jüdischen Spielen teilnehmen zu dürfen. Die Makkabi-Bewegung, die einen großen Teil ihrer Wurzeln in Berlin hat, wurde ja unter anderem gegründet, weil Juden nicht am allgemeinen Sportbetrieb teilnehmen durften. Weil Juden auch in feindlicher Umgebung Sport treiben wollten, gibt es Makkabi. Nicht umgekehrt.
Makkabi findet sich heute in einer anderen Realität wieder. Ausgrenzung im großen Maßstab existiert nicht mehr, die jüdischen Vereine sind in den Ligen der Sportverbände vertreten. Bei den Fußballern von Makkabi Berlin spielen Juden, Christen, Muslime und Atheisten, sie kommen aus Deutschland, der Türkei, Russland und afrikanischen Ländern. Dass sie Anfeindungen erleben, stimmt. Leider. Aber gerade weil Makkabi sich nicht versteckt, weil seine Sportler selbstbewusst auftreten, ist dies eine große Chance, dass jüdischer Sport auch in Deutschland zu dem wird, was alle fordern: eine Normalität.
Die EMG 2015 waren keine Sensation des Weltsports. Sie waren etwas anderes: ein großes, buntes, jüdisches Fest mit Teilnehmern aus 38 Nationen, ein Ausdruck von gewachsenem Selbstbewusstsein – und die beste Werbung für die Makkabiade 2017 in Israel.