Der Einsatz künstlicher Intelligenz (KI) verändert schon jetzt den Alltag in Kliniken und Forschungseinrichtungen. Die neue Technologie ermöglicht unter anderem die Früherkennung von Erkrankungen, sorgt zudem für eine bessere Versorgung von Patienten. Darüber hinaus kann die Schlüsseltechnologie helfen, durch frühe Diagnosen und individuelle Behandlungsmethoden Gesundheitsausgaben erheblich zu senken.
Israel gehört weltweit zu den führenden Nationen in diesem Bereich. »Während in Deutschland und Europa noch über vertrauensbildende Maßnahmen und Instrumente diskutiert wird, begann die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Israel bereits vor circa 20 Jahren«, heißt es in einer Information von ELNET Deutschland. Um aus den Erfahrungen zu lernen und einen Austausch zu ermöglichen, hat der Verein eine deutsch-israelische Dialogreihe initiiert, die mit einer Konferenz im Berliner Futurium am Donnerstag vergangener Woche startete.
»German Israeli Health Forum for Artificial Intelligence« heißt das Forum, das in den kommenden drei Jahren bei Konferenzen, Runden Tischen und anderen Treffen Experten aus beiden Ländern zusammenbringen will. Am Ende ist nach Angaben von ELNET geplant, die Ergebnisse und Erkenntnisse an Entscheider in Wissenschaft und Wirtschaft, Ärzteverbänden und Patientenvertretungen, in Verwaltung und Politik weiterzugeben.
MINISTER Am Auftakt in Berlin nahmen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und sein israelischer Amtskollege Nitzan Horowitz teil. Beide betonten, wie wichtig der bilaterale Austausch ist. Ein beherrschendes Thema waren aktuelle Fragen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sagte: »Wir können voneinander lernen, nicht nur in Bezug auf Digitalisierung, sondern auch Vakzinierung.« Israel habe der Welt gezeigt, wie wichtig Booster-Impfungen seien. Deutschland solle sich dies als Beispiel nehmen, meinte Spahn: »Wir sollten uns selbst in einen sicheren Winter boostern.«
Digitalisierung, Datennutzung und der Einsatz künstlicher Intelligenz bieten enorme Möglichkeiten und Vorteile, gab sich Spahn überzeugt: »Nicht nur um die Reaktionen auf zukünftige Gesundheitskrisen zu stärken, auch um unsere Bürger gesünder und das Leben unserer Patienten einfacher zu machen.« Spahn verwies auf verschiedene Digitalisierungsprogramme und -pläne.
Die Erkenntnisse werden an Entscheider in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft weitergegeben.
Dabei spiele der Datenaustausch eine wichtige Rolle. Dieser sei noch nicht in ausreichendem Maße möglich: »Wie kann es sein, dass Menschen, Güter und Viren Grenzen überqueren können, aber Gesundheitsdaten an den nationalen Grenzen in Europa und der Welt hängen bleiben?« Austausch müsse ermöglicht werden, wichtig sei dabei aber die Sicherheit der Daten. Deren Nutzung und Übermittlung müssten »transparent und sicher« erfolgen.
PANDEMIE-MANAGEMENT Israels Gesundheitsminister Nitzan Horowitz meinte, dass dieses neue gemeinsame Forum und die Kooperation in diesem Bereich Nutzen für beide Seiten bringen werden. Nachdem er die »ausgezeichneten« Beziehungen zwischen Deutschland und Israel lobte, kam auch er gleich zu den aktuellen Herausforderungen der Pandemie. Israel sei am Ende der vierten Welle. Nach dem Regierungswechsel vor rund vier Monaten habe sich das Pandemie-Management geändert. »Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir mit Covid-19 leben werden.«
Das bedeute: kein Lockdown, keine erheblichen Einschränkungen der Wirtschaft und Gesellschaft. Das wichtigste Mittel war dabei, dass Israel als erstes Land der Welt seiner Bevölkerung Booster-Impfungen verabreicht habe. »Ich denke, das hat uns sehr geholfen, das Leben vieler israelischer Bürger zu retten.«
Sharon Alroy-Preis, Direktorin des öffentlichen Gesundheitswesens im israelischen Gesundheitsministerium, machte klar, wie entscheidend es in der aktuellen Lage sei, digitale Daten zeitnah zur Verfügung zu haben. Die Informationen über jeden PCR-, Antigen- und serologischen Test seien online zum Ministerium gegangen, auch alle Impfungen und Hospitalisierungen. »Das ist so wichtig, um die richtigen Entscheidungen in der Bekämpfung der Pandemie zu treffen«, so Alroy-Preis.
ZUKUNFTSMUSIK Das scheint zumindest für Deutschland noch Zukunftsmusik zu sein. Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Heyo Kroemer, beklagte den bislang niedrigen Standard der Digitalisierung im Gesundheitssystem der Bundesrepublik. Aber er sei sich sicher, dass die Medizin und das Gesundheitswesen in den kommenden Jahren erhebliche Veränderungen erfahren werden.
ELNET-Vorstand Hans Thomas Kessler unterstrich, dass die Digitalisierung dieses Bereichs den Kern der Gesellschaft berühre, da es um die Gesundheit jedes Einzelnen gehe. Zugleich gehe es auch um Fragen von Freiheit und Staatskontrolle, Datentransparenz und Privatsphäre. »Die deutsche und israelische Gesellschaft teilen die gleichen Werte, als freie und liberale Gesellschaften. Das ist eine perfekte Basis dafür, dieses Forum zu initiieren.«