Forum Bellevue

Glauben und Glückwünsche

»Ich verstehe die Frage«: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Forum Bellevue Foto: imago/epd

Im »Forum Bellevue« wird über aktuelle Herausforderungen für die Demokratie gesprochen. Am Dienstag ging es bei der sechsten Veranstaltung in dieser vom Bundespräsidenten initiierten Reihe um die Bedeutung des Glaubens und die Rolle der Religionsgemeinschaften in der Gesellschaft – und um das Telegramm des Staatsoberhauptes an den Iran.

Frank-Walter Steinmeier widmete sich in seiner Eröffnungsrede ausführlich – etwa vier Minuten lang – der heftigen Kritik, die es an dem Glückwunschschreiben gegeben hat. Der Bundespräsident versicherte, dass für die deutsche Außenpolitik zuallererst gelte, das Existenzrecht Israels zu schützen und zu verteidigen. »Das ist unsere historische Verantwortung, und das ist und bleibt unsere oberste Maxime.« Am Wochenende hätten ihn Bürger angeschrieben und gefragt, wie diese Maxime vereinbar sei mit einem Telegramm zum Nationalfeiertag eines Landes mit einem autoritären Regime, das die Menschenrechte mit Füßen trete und immer wieder das Existenzrecht Israels angreife. »Ich verstehe die Frage. Ich verstehe sie sogar sehr gut.«

KONTROVERSE Steinmeier betonte, dass es in Konflikten gegenüber Staaten die Bereitschaft zu Kritik und offener Kontroverse brauche, aber auch das Bemühen, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. »Das ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Sie spiegelt sich in jahrzehntelangen diplomatischen Gepflogenheiten wider, zum Beispiel der, dass sich Staaten, die miteinander in diplomatischen Beziehungen stehen, zum Nationalfeiertag ein höflich formuliertes Glückwunschschreiben übermitteln.«

Am Tag zuvor hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, angemerkt, dass in diesem Fall die Routine-Diplomatie wohl das kritische Denken verdrängt habe. »Es ist unverständlich, dass beim Thema Iran im Präsidialamt offenbar die nötige Sensibilität gefehlt hat«, sagte er »Bild.de«. Und weiter: »Ich erwarte vom Bundespräsidenten, dass er die nächste Gelegenheit ergreift, um gegenüber dem Iran unmissverständlich die kritische Haltung der Deutschen zu verdeutlichen, in deren Namen er spricht.«

Die »Bild«-Zeitung hatte den Wortlaut des Glückwunschtelegramms des Bundespräsidenten an den iranischen Staatspräsidenten Hassan Rohani veröffentlicht. Darin heißt es unter anderem: »Zum Nationalfeiertag der Islamischen Republik Iran übermittle ich Ihnen, auch im Namen meiner Landsleute, meine herzlichen Glückwünsche.«

MENSCHENRECHTE Nach einem Telefonat mit Steinmeier erklärte Schuster am Dienstag, dass es sehr erfreulich sei, dass der Bundespräsident die verheerende Menschenrechtslage im Iran und die Bedrohung der Region durch den Iran jetzt deutlich artikuliert habe. »Dabei hat er auch ausdrücklich und zu Recht die Gefährdung Israels durch den Iran in den Blick genommen«, erklärte Schuster. Er merkte aber auch an: »Die Debatte über das Glückwunsch-Telegramm an den Iran sollte dazu führen, diplomatische Gepflogenheiten mitunter kritisch zu hinterfragen.«

Schuster war am Dienstag nicht in Berlin. Für den Zentralrat waren Vizepräsident Abraham Lehrer und Geschäftsführer Daniel Botmann ins Schloss Bellevue gekommen.
Am Ende der Veranstaltung »Alles Glaubenssache?« spendeten die geladenen Gäste freundlichen Beifall. War damit auch die Diskussion über das Glückwunsch-Telegramm beendet? Nicht ganz. Denn als noch Fragen aus dem Publikum aufgerufen wurden, wandte sich der Politikwissenschaftler Hamed Abdel-Samad direkt an den Bundespräsidenten: »Sie haben falsche Signale an das Regime im Iran gesendet«, sagte er. Auch an die demokratische Opposition im Iran und die Menschen in Deutschland seien falsche Signale gegangen. »Und deshalb sage ich: Nicht in meinem Namen!«

Steinmeier antwortete kurz und knapp: »Ich finde es schade, dass Sie meiner Rede, in der ich dazu Stellung genommen habe, offenbar nicht zugehört haben. Sonst hätten Sie diese letzte Ausführung nicht machen können.«  ddk/dpa

Brüssel

Früherer EJC-Chef Kantor von EU-Sanktionsliste gestrichen

Die Streichung des russisch-britischen Geschäftsmanns erfolgte offenbar auf Druck der ungarischen Regierung

 14.03.2025

New York

Im Trump Tower: Demo gegen Abschiebung eines Israelfeindes

Die USA wollen einen israelfeindlichen Aktivisten abschieben. Noch gab es kein Gerichtsverfahren, das Weiße Haus sieht sich im Recht. Jetzt gab es Protest – an einem symbolträchtigen Ort

 14.03.2025

Dänemark

Jüdin in Kopenhagen attackiert

Die Angreifer beschimpften sie als »zionistisches Stück Scheiße« und würgten ihr Opfer

 14.03.2025

Solidarität

»Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt«

Der Journalist Nicholas Potter ist seit Wochen das Ziel einer Rufmordkampagne, initiiert von einem dubiosen Propaganda-Portal und befeuert von antiisraelischen Aktivisten. Jetzt äußert sich der Zentralrat der Juden

von Nils Kottmann  14.03.2025 Aktualisiert

Sachsen-Anhalt

Polizei verhindert möglichen Anschlag auf Synagoge Halle

Der Tatverdächtige soll bereits eine Waffe besorgt und im Internet mit seinem Plan geprahlt haben

 13.03.2025 Aktualisiert

USA

Wer Jude ist, bestimmt nun er

Donald Trump wird immer mehr wie der berühmt-berüchtigte Wiener Bürgermeister Karl Lueger

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Israel

Bernard-Henri Lévy sagt aus Protest Teilnahme an Konferenz in Israel ab

Der Schritt des französischen Philosophen erfolgte aus Protest gegen die Einladung der zwei rechten französischen Politiker Jordan Bardella und Marion Maréchal

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Bremen

»Die israelische Demokratie ist eine sehr viel vitalere als die deutsche«

Im Interview mit dem »Weser Kurier« spricht Michel Friedman über die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die AfD sowie die israelische Gesellschaft

 13.03.2025

Berlin

Joschka Fischer nennt mögliche Verhaftung Netanjahus »absurd«

Der frühere Außenminister stimmt CDU-Chef Friedrich Merz zu: Der israelische Ministerpräsident müsse Deutschland unbehelligt besuchen können

von Imanuel Marcus  13.03.2025