Plötzlich wollen es alle schon immer gewusst haben: Dass der Westen jahrzehntelang einen Diktator wie Hosni Mubarak stützte, konnte nur im Desaster enden. Doch so fatal das Festhalten an dem Autokraten im Namen einer zum Fetisch erhobenen »Stabilität« war – es ist wohlfeil, jetzt so zu tun, als habe es dafür gar keine rationalen Gründe gegeben.
Gaza Das ägyptische Regime gewährleistete, dass die stärkste Militärmacht Arabiens einen »kalten Frieden« mit Israel einhielt und ein großer, womöglich gar atomar eskalierender, Nahostkrieg vermieden wurde. Weit und breit finden sich bis heute in der arabischen Welt keine anderen maßgeblichen Kräfte – auch keine »säkularen« –, die zur Anerkennung des jüdischen Staates bereit wären. Wer immer im Ägypten nach Mubarak Einfluss gewinnen wird, eine baldige Öffnung der Grenze zu Gaza und eine stärkere Unterstützung von Hamas und Hisbollah scheint sicher. Und ob ein Ägypten in ungewissem Umbruch weiterhin die gefährlichste Despotie des Nahen Ostens, die Islamische Republik Iran, eindämmen kann, ist zweifelhaft.
Der Preis dafür, Mubarak bei Laune zu halten, war für den Westen freilich hoch. Das Regime des Autokraten schürte im Inneren Antiamerikanismus und paranoiden Hass gegen Israel, um von seinen Schandtaten gegen die eigene Bevölkerung abzulenken. Dieses Gift wird Mubaraks Herrschaft noch lange überdauern. Selbst wenn sich die Sorge als unbegründet erweisen sollte, Islamisten könnten die ägyptische Freiheitsbewegung hijacken – dass sich ein demokratisches Ägypten gegenüber Israel aufgeschlossener zeigen würde als die alten Mächte des arabischen Nationalismus, gehört wohl ins Reich der Illusionen.
Und doch bieten nur freiheitliche Verhältnisse den arabischen Gesellschaften auf lange Sicht die Chance, jene irrationalen Hassideologien zu überwinden, mit denen sie unter der Dunstglocke der Despotie kontaminiert wurden.
Der Autor ist Politischer Korrespondent der »Welt« und der »Welt am Sonntag«.