Der neue Paragraf 192a im Strafgesetzbuch soll Personen und Gruppen schützen, die wegen ihrer nationalen, religiösen oder ethnischen Herkunft, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Orientierung beschimpft, verleumdet oder verächtlich gemacht werden. Der neue Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung bezieht sich beispielsweise auf Nachrichten, die direkt an Betroffene geschickt werden.
Unter anderem erhielt der Zentralrat der Juden Hasszuschriften, die trotz ihres Inhalts offenbar nicht strafbar waren. Denn juristisch gesehen ist eine Volksverhetzung nur gegeben, wenn die Nachricht öffentlich verbreitet wird, zum Beispiel in Flugblättern, in sozialen Netzwerken oder in Redebeiträgen. Das trifft auf E-Mails oder Briefe nicht zu.
hassnachrichten Für eine strafbare Beleidigung wiederum ist ein direkter Bezug zu der betroffenen Person erforderlich, sie muss also konkret angesprochen und beleidigt werden. Auch dies trifft bei manchen Hassnachrichten nicht zu, wenn beispielsweise in solchen E-Mails allgemein der NS-Terror verharmlost oder sogar glorifiziert wird.
Die pauschale Herabwürdigung von bestimmten Gruppen oder Ethnien in persönlichen Nachrichten ist juristisch gesehen also weder eine Beleidigung, noch wird der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt, da die entsprechende Aussage nicht öffentlich getätigt wurde.
Für solche Delikte sind dem neuen Paragrafen zufolge künftig Geld- oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vorgesehen.
Genau diese Lücke im Strafgesetzbuch soll die sogenannte verhetzende Beleidigung schließen. Für solche Delikte sind dem neuen Paragrafen zufolge künftig Geld- oder sogar Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vorgesehen. »Wir sind in der Verantwortung, jeden und jede in unserer Gesellschaft vor Anfeindungen und Ausgrenzung zu schützen«, begründete Bundesjustizministerin Christine Lambrecht das Vorhaben. »Wir müssen der Menschenverachtung von vornherein den Nährboden entziehen und wo immer nötig konsequent einschreiten.«
menschenwürde Die Ministerin betonte, oft richteten sich »Hassnachrichten direkt an Betroffene – per Nachrichten, Mails und Briefen. Mitglieder jüdischer und muslimischer Gemeinden werden verhöhnt und verächtlich gemacht. Mangels Öffentlichkeit gilt dies nicht als Volksverhetzung. Genau hier greift die neue Strafvorschrift ein und sorgt für einen umfassenden strafrechtlichen Schutz der Betroffenen, deren Menschenwürde angegriffen wird«.
Deswegen soll es – so heißt es im neuen Paragrafen – künftig strafbar sein, »eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen« zu beschimpfen, böswillig verächtlich zu machen oder zu verleumden.
DISKUSSIONEN Über die Ausgestaltung des Textes hatte es allerdings noch Diskussionen gegeben. Nach den ursprünglichen Plänen von CDU/CSU sollte die neue Strafnorm ausschließlich Gruppen schützen, die während der NS-Diktatur verfolgt wurden – also insbesondere Juden, Homosexuelle sowie Sinti und Roma. Dies sorgte für Kritik, da somit beispielsweise Muslime nicht geschützt worden wären – obwohl auch deren Vertreter und Organisationen mit Hassnachrichten konfrontiert sind.
Mangels Öffentlichkeit galten Hassbriefe bislang nicht als Volksverhetzung – das wurde nun geändert.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, und der Zentralrat der Juden sprachen sich dafür aus, den geplanten neuen Straftatbestand der verhetzenden Beleidigung auch für andere Betroffene zu öffnen. »Die Vorschrift sollte nicht nur für jüdische Personen und Organisationen gelten«, sagte Felix Klein. Es seien auch andere Gruppen und Einzelpersonen von Hass und Hetze betroffen.
Der Zentralrat der Juden betonte, es sei »selbstredend, dass ein solcher Straftatbestand nicht eine bestimmte Gruppe, sondern alle Opfer schützen beziehungsweise ein konkretes Verhalten sanktionieren und bestenfalls verhindern soll«. Schließlich wurde der Entwurf überarbeitet und bezieht Muslime nun mit ein.
INHALTE Welche Inhalte in Nachrichten aber nun ganz konkret »geeignet« sind, die Menschenwürde anderer anzugreifen, kann vom Gesetzgeber nicht eindeutig definiert, sondern muss im Einzelfall entschieden werden. Um den neuen Straftatbestand aber möglichst zeitnah umsetzen zu können, soll das Vorhaben in den Gesetzentwurf zu sogenannten Feindeslisten aufgenommen werden, der im Bundestag kurz vor dem Beschluss steht. Ziel dieses Entwurfs ist es, die Verbreitung sogenannter Feindeslisten mit Namen und Daten vermeintlicher politischer Gegner explizit unter Strafe zu stellen.
Im Netz finden sich virtuelle Pranger mit Namen wie »Nürnberg 2.0«, zudem kursieren zahlreiche Listen mit Personen, denen allein durch die Nennung in einer solchen Liste subtil gedroht wird. Mit diesem Vorhaben will das Bundesjustizministerium weitere Maßnahmen umsetzen, mit denen Antisemitismus und Rassismus effektiver bekämpft werden sollen.
Insbesondere die jüngsten israelfeindlichen Demonstrationen und antisemitischen Hassausbrüche in Deutschland haben noch einmal die Dringlichkeit für ein entschlossenes Handeln gegen jede Form des Antisemitismus demonstriert.