Bald wird es Rechtssicherheit für religiös motivierte Beschneidungen geben. Das ist der Wille der Teilnehmer eines Expertentreffens, das am Dienstag im Bundesjustizministerium stattfand. »Es war ein Schritt in die richtige Richtung«, befand Rabbiner Henry G. Brandt, der zusammen mit Generalsekretär Stephan J. Kramer für den Zentralrat der Juden teilnahm. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Vertreter der muslimischen Verbände waren beim Treffen in Berlin dabei.
Zirkumzision Verabredet wurde, dass im Bundesjustizministerium bald eine Regelung formuliert wird, die ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen werden soll. Sie soll sich nicht nur auf religiös motivierte Beschneidungen, sondern auf jede nicht medizinisch indizierte Zirkumzision beziehen. Damit wird auch für solche Beschneidungen von minderjährigen Jungen Rechtssicherheit geschaffen, die aus prophylaktischen oder hygienischen Gründen vorgenommen werden. Durch die Verwendung des Fachterminus Zirkumzision ist automatisch ausgeschlossen, dass, wie teilweise befürchtet worden war, auch Genitalverstümmelungen bei Mädchen legalisiert würden.
Mit dem Weg, der jetzt beschritten werden soll, sind zudem sämtliche Überlegungen, entsprechende Paragrafen im Strafrecht zu ändern, vom Tisch – zumindest vorläufig. So hatte beispielsweise der Hamburger Staatsrechtler Reinhard Merkel noch vergangene Woche im Deutschen Ethikrat argumentiert, es sei »bizarr«, wenn Religionen das Recht zugesprochen würde, »in den Körper einer Person einzudringen«.
Obsolet sind nun vermutlich auch Vorschläge, das »Gesetz über religiöse Kindererziehung« entsprechend zu novellieren. Das gehört zum Familienrecht und regelt, dass es die Eltern sind, die für die religiöse oder nichtreligiöse Erziehung eines Kindes Verantwortung tragen. Mit solchen Überlegungen hatten Verfassungsrechtler der Universitäten Göttingen und Trier um Hans Michael Heinig und Angelika Günzel zuletzt Auswege aus dem Dilemma aufgezeigt.
kanzlerin Wie der Entwurf, der nun ausgearbeitet und dann in den Bundestag gegeben wird, letztlich aussehen wird, lässt sich derzeit nicht sagen. Der politische Wille zu einer schnellen Regelung dürfte jedenfalls vorhanden sein – nicht nur seit der Willenserklärung des Bundestages, die Beschneidung bald per Gesetz rechtssicher zu machen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich durch den für Kirchenfragen zuständigen Referatsleiter im Kanzleramt, Rudolf Teuwsen, für eine schnelle Lösung ausgesprochen.
Die Bundesregierung nehme »das Problem sehr ernst und arbeitet intensiv daran, zu den religiös motivierten Beschneidungen eine zügige Lösung zu finden«, heißt es in einem Brief, den Teuwsen vergangene Woche an Rabbiner Menachem Margolin vom Rabbinical Centre of Europe schrieb. Regierungssprecher Steffen Seibert hatte jüngst klargestellt, dass »verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen in diesem Land straffrei möglich sein müssen«. Hier Rechtssicherheit herzustellen, sei »auch zeitlich dringend geboten«.
ethikrat In der vergangenen Woche hatte der Deutsche Ethikrat »ungeachtet tiefgreifender Differenzen in grundlegenden Fragen«, wie es heißt, empfohlen, juristische Standards für die Beschneidung von Knaben durchzusetzen, wenn Aufklärung der Eltern, eine qualifizierte Schmerzbehandlung, eine fachgerechte Durchführung und ein vom Alter abhängiges Vetorecht des betroffenen Jungen gegeben ist. Das einzige jüdische Mitglied des Ethikrates, der Frankfurter Rettungsmediziner Leo Latasch, hatte ausgeführt, dass es sich bei der Beschneidung nicht um »sexuelle Gewalt« handele, wie derzeit manchmal unterstellt.
Er erklärte auch, dass eine Beschneidung für die Barmizwa unerlässlich sei, sodass Forderungen, die Beschneidung erst mit der Volljährigkeit eines Jungen durchzuführen, für Juden ebenso wenig infrage kommen wie eine symbolische Brit Mila.