Jubiläum

Geschichte mit Zukunft

Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: Bundesregierung

Jubiläum

Geschichte mit Zukunft

Bundeskanzlerin Angela Merkel zu 1700 Jahren jüdischer Geschichte und Kultur in Deutschland

 19.02.2021 11:36 Uhr

»Es gibt in einem anderen Menschen nichts, was es nicht auch in mir gibt. Dies ist die einzige Grundlage für das Verstehen der Menschen untereinander.« Mit diesen Worten ruft Erich Fromm, der große jüdische Sozialpsychologe, zu Toleranz und gegenseitiger Achtung auf. So unterschiedlich unsere Sicht auf die Welt ist, so vielfältig unsere Erfahrungen und auch so widersprüchlich unsere Wünsche sind – uns alle eint das Menschsein. Toleranz wächst, wenn wir einander kennenlernen. Kennenlernen wiederum braucht neben Offenheit vor allem auch Gelegenheit. Eine solche herausragende Gelegenheit bietet das Jubiläumsjahr 2021.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland: Das sind 1700 Jahre, in denen jüdische Bürgerinnen und Bürger alle Bereiche unserer Gesellschaft entscheidend mitgeprägt haben. Innovativ, kreativ und oft als Pionierinnen und Pioniere auf ihrem Gebiet. Die Ärztin Rahel Hirsch etwa wurde 1913 als erste Frau im Königreich Preußen zur Professorin für Medizin ernannt. Dem Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy verdanken wir die Eröffnung der ersten höheren Bildungsanstalt für Musiker auf deutschem Boden im Jahr 1843. Der Physiker Heinrich Rudolf Hertz bereitete mit seinen Forschungsarbeiten in den 1880er-Jahren den Weg für die Entwicklung des drahtlosen Telegrafen und des Radios.

wirken Schon diese wenigen Beispiele vermitteln einen Eindruck davon, wie vielfältig und bereichernd jüdisches Leben und Wirken in unserem Land waren und sind. Und so gibt es in diesem Jubiläumsjahr viel zu entdecken, zu würdigen und zu feiern.

1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland – das sind Jahre der kulturellen Blüte, aber auch Jahre tiefer Unmenschlichkeit. Unvergessen bleibt, was jüdischen Familien angetan wurde durch Ausgrenzung und Verleumdung, durch grausame Pogrome – immer wieder, über Jahrhunderte hinweg. Das dunkelste Kapitel der deutsch-jüdischen Geschichte bildet dabei der unfassbare Zivilisationsbruch der Schoa.

Wir gedenken der Millionen jüdischer Kinder, Frauen und Männer, die systematisch verfolgt und ermordet wurden. Wir gedenken all jener, die ihrer Familien und ihrer Heimat beraubt wurden, die nach unfassbaren Qualen nie wieder inneren Frieden fanden. Ihre Schicksale, ihre Leiden sind uns eine bleibende Mahnung. Aus der Erinnerung an die Menschheitsverbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands erwächst uns Deutschen eine ganz besondere Verantwortung, überall und jederzeit für die unveräußerliche Würde jedes Menschen einzutreten. Eben deshalb gilt es, das Gedenken von Generation zu Generation weiterzutragen.

Vor dem Hintergrund der Schoa nimmt es sich wie ein Wunder aus, dass wir heute in Deutschland wieder eine lebendige jüdische Gemeinschaft haben.

Vor dem Hintergrund der Schoa nimmt es sich wie ein Wunder aus, dass wir heute in Deutschland wieder eine lebendige jüdische Gemeinschaft haben, die drittgrößte in Europa. Neue Synagogen, jüdische Kindergärten und Schulen sind entstanden. Rabbiner – inzwischen auch Rabbinerinnen – werden wieder ausgebildet und ordiniert.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

Aus der deutschen Gegenwartsliteratur sind jüdische Schriftstellerinnen und Schriftsteller wie die kürzlich verstorbenen Autorinnen Ruth Klüger und Mirjam Pressler nicht wegzudenken, junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bringen die Forschung voran, Künstlerinnen und Künstler sowie Medienschaffende bereichern unsere Kultur. Im vergangenen Jahr brachte der Pianist Igor Levit mit seinen Internet-Konzerten in Corona-Zeiten viel Zuversicht und Freude in unsere Häuser.

gesellschaft Doch viele Jüdinnen und Juden machen sich große Sorgen um ihre eigene Zukunft und die unserer Gesellschaft. Es empört mich zutiefst, zu sehen, wie enthemmt Antisemitismus auch heute noch auftreten kann. Der Anschlag in Halle im Oktober 2019 war eine Schande für unser Land. Es ist traurig und doch unabdingbar, dass wir jüdischen Einrichtungen besonderen Schutz zukommen lassen müssen.

Wir dulden keinen Antisemitismus in unserem Land. Welche Auswüchse auch immer er annimmt, wir gehen gegen jede Form von Antisemitismus vor. Dazu setzen wir auf Bildung und Prävention ebenso wie auf Mittel unseres Rechtsstaates. Staatliche Maßnahmen sind wichtig, allein aber reichen sie nicht. Es liegt an jedem und jeder Einzelnen von uns, Toleranz und gegenseitigen Respekt im Alltag zu leben und zu beleben. Wir alle sind Teil unserer Gesellschaft. Und so liegt es auch an uns allen, im Rahmen unserer Möglichkeiten für eine menschliche Gesellschaft zu sorgen.

Uns der grundlegenden Werte unseres Zusammenlebens zu vergewissern und Zusammenhalt zu stiften – dazu bietet dieses Jubiläumsjahr wertvolle Anregungen. Ich freue mich sehr, wenn möglichst viele mitwirken und damit auch verdeutlichen, dass 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland nun vor allem eines sind: eine Geschichte mit Zukunft.

Der Namensbeitrag von Bundeskanzlerin Angela Merkel ist erschienen in unserem 92-seitigen Magazin zu »1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland«.

Berlin

Als Berlin vor 80 Jahren vor der Roten Armee kapitulierte

Einschusslöcher sind bis heute an zahlreichen Berliner Häusern zu sehen. Sie erzählen von Straßenkämpfen und dem Ende des Zweiten Weltkriegs, als die Rote Armee siegte - und der Frieden in Europa begann

von Nina Schmedding  24.04.2025

Tel Aviv

Bericht: Antisemitismus immer noch stärker als vor dem 7. Oktober

Insgesamt ist eine weltweite Welle des Antisemitismus laut einer Studie der Universität Tel Aviv im vergangenen Jahr etwas abgeflaut. Es gibt aber Ausnahmen

 24.04.2025

München

Vor 100 Jahren gründete Hitler die SS: Von Schlägern zu Massenmördern

Wie keine andere Organisation steht die Schutzstaffel für die monströsen Verbrechen des NS-Regimes. Als »Reichsführer-SS« wurde Heinrich Himmler zu Hitlers rechter Hand bei der »Endlösung der Judenfrage«

von Joachim Heinz  24.04.2025

Auschwitz

Ehemalige Hamas-Geiseln beim »Marsch der Lebenden«

Frühere Verschleppte nehmen gemeinsam mit Holocaust-Überlebenden teil. Dies soll die Resilienz des jüdischen Volkes symbolisieren

 24.04.2025

Washington D.C.

Rubio: Krieg gegen Iran könnte größeren Konflikt auslösen

Die USA verhandeln mit dem Regime in Teheran über dessen Atomprogramm. Der US-Außenminister sieht noch einen langen Weg bis zu einem Ergebnis

 24.04.2025

Weimar

Zwischen Halbmond und Hakenkreuz - Wie Muslime der Waffen-SS nach Buchenwald kamen

Ende 1944 erreichen das Konzentrationslager Buchenwald wenigstens zwei Transporte mit muslimischen Gefangenen. Die mehr als 100 Bosnier sind Angehörige der Waffen-SS und in ihrer Heimat desertiert. Bislang ist wenig über ihr Schicksal bekannt

von Matthias Thüsing  23.04.2025

Verschwörungstheorien

Gedenkstätte Auschwitz kämpft gegen Desinformation

Holocaust-Leugner verbreiten ihre Thesen vor allem über das Internet. Mit einer Online-Lektion will die Gedenkstätte im ehemaligen deutschen Konzentrationslager mit Verschwörungsmythen aufräumen

von Doris Heimann  23.04.2025

Schoa

Der erste Schritt zu den Gräueln des Holocaust

Vor 90 Jahren wurde in Dachau das erste Konzentrationslager der Nazis eingerichtet

von Johannes Senk  23.04.2025

80 Jahre nach der Befreiung

Streit um Gedenken in Bergen-Belsen

Die Kinder von Überlebenden werfen den Veranstaltern vor, sie zu boykottieren

 23.04.2025