Zwei Monate nach der Aussage und der spektakulären Geste eines Zeugen im Prozess gegen einen ehemaligen Wachmann im KZ Stutthof will das Hamburger Landgericht die Glaubwürdigkeit des 76-Jährigen überprüfen.
Mit Blick auf einen Bericht des »Spiegel« sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring am Montag, die Kammer werde die Unterlagen des amerikanischen Nebenklägers noch einmal genau durchsehen. Die Prozessbeteiligten bekämen die vom Anwalt des Zeugen zur Verfügung gestellten Dokumente zur Ansicht und könnten dazu Stellung nehmen.
lebensgeschichte »Der Spiegel« hatte Ende Dezember geschrieben, dass die von dem Mann vorgetragene Lebensgeschichte zumindest in Teilen nicht stimme könne. Moshe Peter Loth hatte am 12. November als Zeuge ausgesagt, er sei nach seiner Geburt am 2. September 1943 als Baby mit seiner jüdischen Mutter im Konzentrationslager Stutthof inhaftiert gewesen.
Er sei Opfer medizinischer Experimente geworden und habe auch nach dem Krieg als Ausgestoßener leben müssen. Zum Schluss seiner Aussage hatte er erklärt, er vergebe dem Angeklagten, und hatte den 93-Jährigen unter Tränen umarmt. Der ehemalige Wachmann muss sich wegen Beihilfe zum Mord in 5230 Fällen verantworten.
Nach Recherchen des »Spiegel« gibt es keine Hinweise auf jüdische Vorfahren des Nebenklägers Moshe Peter Loth.
Nach Recherchen des »Spiegel« gibt es jedoch keine Hinweise auf jüdische Vorfahren Loths. Seine Mutter sei zwar als Schwangere vier Wochen als »Erziehungshäftling« in Stutthof gewesen. Eine zweite Inhaftierung bei oder nach seiner Geburt habe es aber vermutlich nie gegeben. Sollte diese Darstellung zutreffen, könnte Loth seinen Status als Nebenkläger verlieren. Nebenkläger kann nach Angaben eines Gerichtssprechers nur jemand sein, bei dem die Möglichkeit besteht, dass er Geschädigter der angeklagten Tat ist.
verfahren Der Jura-Professor Cornelius Nestler, der die amerikanische Stutthof-Überlebende Judith Meisel als Nebenklägerin vertritt, sagte, man hätte nach zehn Minuten Internetrecherche feststellen können, dass die Darstellungen von Loth schlicht abwegig seien und keinen Sinn machten. Er habe das aber zunächst nur intern geäußert, um den Prozess nicht zu belasten. Nach der Veröffentlichung des »Spiegel« gebe es nun eine andere Situation. Der Bericht werfe einen Schatten auf das Verfahren.
Oberstaatsanwalt Lars Mahnke erklärte am Montag in einer Verhandlungspause zu der Aussage von Loth: »Schon nach wenigen Sätzen hatte ich ein beklemmendes Gefühl.« Die Staatsanwaltschaft werde nun prüfen, ob der Zeuge wissentlich die Unwahrheit vor Gericht gesagt habe. In dem Fall müsste die Behörde von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren einleiten. dpa