Die Überraschung war perfekt: Weder der Mossad noch die israelische Diplomatie hatten mitbekommen, dass sich die radikal-islamische Hamas und die gemäßigte Fatah-Partei von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas geeinigt hatten, ihre Fehde zu beenden. Sollte nicht in letzter Minute ein neuer Streit das innerpalästinensische Versöhnungsprojekt vereiteln, bilden sie gemeinsam eine Übergangsregierung.
Das bringt Jerusalem in eine ungemütliche Lage. Der Einfluss der vom Iran unterstützten Hamas, die seit vier Jahren den Gazastreifen kontrolliert, könnte sich auf das Westjordanland ausdehnen. Bei der geschlossenen Vereinbarung sollen die Islamisten Punkte durchgesetzt haben, die Israels Sicherheit unmittelbar gefährden. So will Abbas Hamas-Aktivisten aus dem Gefängnis entlassen und darauf verzichten, eigene Polizisten nach Gaza zu entsenden. Damit würde die Fatah die Kontrolle im Küstenstreifen vollständig den Radikalislamisten überlassen.
machtübernahme Israels Staatspräsident Schimon Peres hat die Versöhnung der früheren Erzfeinde denn auch als »fatalen Fehler« bezeichnet. Er befürchtet sogar eine Machtübernahme der Hamas im Westjordanland. Verteidigungsminister Ehud Barak will mit der neuen Regierung nur kooperieren, wenn sie dem Terror abschwört. Das aber ist nach ersten Aussagen der Hamas sehr unwahrscheinlich. Für Premier Benjamin Netanjahu ist die Versöhnung zwischen Abbas und der Hamas deshalb ein zusätzliches Argument, um vor der Ausrufung eines palästinensischen Staates zu warnen.
Die Einigung zwischen der Hamas und der Fatah gilt als wichtiger Erfolg der neuen ägyptischen Regierung. An einem solchen Projekt hatte das Regime von Hosni Mubarak lange erfolglos gearbeitet. Gerade, dass dies die erste außenpolitische Initiative der Nachfolger von Hosni Mubarak ist, beunruhigt die Verantwortlichen in Israel. Als Nächstes will Kairo die Beziehungen zum Iran normalisieren und den Gasliefervertrag mit Israel neu verhandeln.
Auch dass Ägypten seine bisher geschlossene Grenze zum Gazastreifen öffnen will, löst in Jerusalem Alarm aus. Dadurch würde es der Hamas noch leichter fallen als bisher, sich mit Waffen einzudecken und Aktivisten zur »Weiterbildung« ins Ausland zu schicken. Die Öffnung oder Schließung des Überganges in Rafah, der Grenzstadt im Süden des Gazastreifens, war ein wichtiges Druckmittel, um die regierenden Islamisten womöglich zum Einlenken zu bewegen.
erzrivalen Die plötzliche Bereitschaft der Hamas zur Kooperation mit der Fatah hat nach Einschätzung israelischer Experten auch mit der Lage in Syrien zu tun. Weil niemand sagen kann, wie lange sich das Regime von Baschar al Assad halten kann (vgl. untenstehendes Interview), suchen sich die Hamas-Strategen schon mal neue Partner in der Region. Auch bei der Fatah ist die Bereitschaft, sich mit den Erzrivalen auszusöhnen, eine Folge des »neuen Nahen Ostens«. Abbas hatte in Mubarak eine politische Stütze gehabt. Neuerdings jedoch genießen die Islamisten der Hamas in Kairo VIP-Behandlung.