Berlin

Gemeinsam gegen Rechtsextremismus

Beim Treffen des Zentralrats mit den Paul-Spiegel-Preisträgern am Donnerstagnachmittag in Berlin Foto: Gregor Zielke

Das Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland ist am Donnerstag mit Trägern des Paul-Spiegel-Preises für Zivilcourage zusammengetroffen. Er wird seit 2009 jährlich an Menschen verliehen, die sich aktiv gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus deutlich.

»Wir dürfen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus nicht nachlassen«, forderte Schuster im Anschluss an das Treffen. »Vor allem die Aufklärungs- und Bildungsarbeit in den Schulen muss weiter verbessert und verstärkt werden«, sagte er. »Die gesamte Gesellschaft muss ihr Augenmerk sowohl auf junge Menschen richten, die empfänglich sind für rechtsextreme Parolen, als auch auf junge Muslime, die sich unter dem Einfluss der türkischen Politik und von Dschihadisten radikalisieren. Wir dürfen diese jungen Leute nicht aufgeben, sondern müssen das Gespräch mit ihnen suchen.«

demokratie Der Kampf gegen Rechtsextremismus müsse massiv verstärkt werden, dabei müssten alle demokratischen Kräfte – Parteien und Zivilgesellschaft – zusammenstehen, um den Umtrieben der Rechtsextremisten Einhalt zu gebieten. »Dies muss auch eine vordringliche Aufgabe für die neue Bundesregierung nach der Wahl sein.«

Bei dem teilweise sehr persönlichen Gespräch im Leo-Baeck-Haus in Berlin wurde deutlich, dass sowohl aufseiten des Zentralrats als auch bei den Preisträgern ein großes Bedürfnis nach Austausch besteht. Zentralratspräsident Josef Schuster dankte den Teilnehmern des Gesprächs und sagte abschließend, es sei »sehr aufschlussreich, von Ihnen zu hören, wie Sie die Situation in Ihren Bereichen empfinden«.

Dabei sagte der Leipziger Polizeipräsident Bernd Merbitz, der 2009 für sein herausragendes Engagement den ersten Paul-Spiegel-Preis erhielt, zur Situation des Rechtsextremismus in Sachsen: »Ich kann leider überhaupt keine Entwarnung geben.« Gegen Flüchtlinge agitierten »nicht nur ein paar Leute, wir haben einen sogenannten Alltagsrassismus«. Über die rechtspopulistische Partei »Alternative für Deutschland« (AfD) sagte Merbitz: »Ich glaube, nach der Bundestagswahl sollte niemand erschrecken, wenn sie zweistellig dastehen.«

antisemitismus Der Vorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus (KIgA), Aycan Demirel, Paul-Spiegel-Preisträger 2012, sagte, man müsse »nicht nur auf IS-Terror und palästinensische antizionistische Gruppen« reagieren, die in Berliner Straßen und in anderen Städten antisemitische Parolen verbreiteten, sondern der Antisemitismus sei »eine permanente Herausforderung für unsere Gesellschaft«.

Erklärt werden könne er auch nicht nur durch »den Faktor Erdogan«, den Antisemitismus des türkischen Ministerpräsidenten oder den Einfluss radikal-islamistischer Gruppen, sondern auch die mangelnde Integration vieler Jugendlicher mit Migrationshintergrund spiele eine wichtige Rolle. In deutschen Schulen verheimlichten mittlerweile viele Schüler ihre jüdische Identität, beklagte Demirel.

Birgit Lohmeyer war 2011 gemeinsam mit ihrem Mann Horst mit dem Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet worden. Das Ehepaar veranstaltet seit 2007 jährlich das Anti-Rechts-Festival »Jamel rockt den Förster« in dem von vielen Rechtsextremisten bewohnten Dorf Jamel in Mecklenburg-Vorpommern. In Jamel habe sich durch ihr Engagement leider nichts verbessert, »sondern es gibt immer mehr Nazis, die Nazi-Familien werden immer größer, viele Kinder werden geboren«, sagte Birgit Lohmeyer bei dem Gespräch am Donnerstag.

erfolg Sie und ihr Mann würden nach wie vor von jugendlichen Rechtsextremisten drangsaliert, das Haus des Ehepaars mit Graffiti beschmiert. Das Engagement sei aber dennoch erfolgreich, weil es mediale Aufmerksamkeit für das Problem des Rechtsextremismus in Mecklenburg-Vorpommern zur Folge gehabt habe: »Unser Erfolg ist, dass wir hartnäckig geblieben und nicht weggezogen sind.«

Uwe-Karsten Heye, Vorsitzender des Vereins »Gesicht Zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland«, der 2016 mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats ausgezeichnet worden war, sagte mit Blick auf die Bundestagswahl am 24. September, er hoffe, »dass die Wahlbeteiligung groß ist, damit der AfD-Anteil klein bleibt«.

Außerdem wünschte sich der ehemalige Redenschreiber von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) und Regierungssprecher unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dass die große Koalition nicht fortgesetzt wird, »weil das die Ränder erneut stärken würde«. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung solle wieder ins Parlament getragen werden, »wo sie hingehört«.

Lesen Sie mehr in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

Bitburger Gespräche

Schuster für härtere Strafen gegen Antisemitismus im Netz

Antisemitismus gelte inzwischen als eine Art »Aufnahmeritual« in bestimmten Gruppen, warnt Zentralratspräsident Josef Schuster. Er sieht die Politik dazu aufgefordert, »Strafbarkeitslücken« zu schließen

von Matthias Jöran Berntsen  17.01.2025

Berlin

Deutscher Appell an Israel und die Hamas

Das Abkommen für eine Waffenruhe im Gazastreifen ist noch nicht in trockenen Tüchern. Deutschland ruft beide Seiten eindringlich zur Zustimmung auf

 17.01.2025

Washington D.C.

Trump will Israel im Fall einer neuen Gaza-Operation unterstützen

Der künftige Präsident will zudem das Momentum des Waffenruheabkommens nutzen, um die Abraham Accords wiederzubeleben

 17.01.2025

Meinung

Die linke Tour der Alice Weidel

Mit ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  17.01.2025

Kommentar

Warum bejubelt ihr den Terror, statt euch über Frieden zu freuen?

Ein Kommentar von JA-Chefredakteur Philipp Peyman Engel über die israelfeindlichen Demonstrationen in Berlin-Neukölln nach Verkündung der Gaza-Waffenruhe

von Philipp Peyman Engel  16.01.2025

Düsseldorf

Jüdische Zukunft: Panel-Diskussion mit Charlotte Knobloch

Auf dem Podium sitzen auch Philipp Peyman Engel, Hetty Berg und Armin Nassehi

 16.01.2025

Meinung

Die Kürzung der Fördermittel für antizionistische Vereine ist richtig

Unterstützung für Menschenrechtsorganisationen darf nicht bedeuten, dass man am Ende Hass und Hetze unterstützt

von Olga Deutsch  16.01.2025

Berlin

Baerbock bewegt von Abkommen über Waffenruhe

Sichtlich berührt zeigt sich die scheidende Außenministerin. Für das, was nun kommen soll, bietet sie Unterstützung an

 16.01.2025

Reaktionen auf das Abkommen

»Ein Gefühl der Freude in den Adern des jüdischen Volkes«

Politiker und jüdische Organisationen weltweit haben mit Freude auf das Abkommen zur Freilassung der Geiseln reagiert – Donald Trump lobte sich selbst

 15.01.2025