Demonstrationen

Gelebter Protest

Allein zu der Kundgebung am Brandenburger Tor kamen rund 25.000 Menschen. Foto: picture alliance / PIC ONE

Er wolle, dass sich das Straßenbild in seiner Heimat verändere, soll der AfD-Fraktionsvorsitzende, Ulrich Siegmund, bei einem Geheimtreffen mit dem rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner gesagt haben. Es solle in Sachsen-Anhalt »für dieses (sic) Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben«, sagte Siegmund, mutmaßlich mit Blick auf Ausländer in Deutschland.

Martin Sellner, einst Sprecher der rechtsextremen Identitären Bewegung, stellte bei dem Treffen in einem Potsdamer Hotel seinen Plan vor, Millionen Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Er wolle nicht nur Asylbewerber und Ausländer mit einer Aufenthaltserlaubnis deportieren, sondern auch deutsche Staatsbürger, die aus Sicht des Rechtsextremen nicht »assimiliert genug« sind.

Der Plan, der durch Recherchen der Investigativplattform »Correctiv« enthüllt wurde, ist nicht nur ein Angriff auf das im Grundgesetz verankerte Staatsbürgerrecht und den Gleichheitsgrundsatz – sondern auch auf die jüdische Gemeinde in Deutschland. Seit den 90er-Jahren sind rund 200.000 Jüdinnen und Juden aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert. Sind sie »assimiliert genug« für den Rechtsextremen?

In Sachsen ist die AfD nicht nur bei Umfragen mit 34 Prozent zurzeit stärkste Kraft

Am Wochenende änderte sich das Straßenbild in zahlreichen Städten Deutschlands tatsächlich – aber nicht so, wie Ulrich Siegmund sich das vorgestellt hatte. Zehntausende Demonstranten gingen auf die Straße, um gegen die AfD zu demonstrieren. In Kiel folgten 8000 Menschen dem Aufruf eines breiten demokratischen Bündnisses. In Leipzig waren es der Polizei zufolge 6000 Menschen. Mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst ein beachtliches Zeichen, denn in Sachsen ist die AfD nicht nur bei Umfragen mit 34 Prozent zurzeit stärkste Kraft, sondern gilt auch als gesichert rechtsextremistisch.

Der Zulauf bei den Demonstrationen zeigt, wie groß der Widerwille in der Mehrheit der Bevölkerung gegen eine AfD-Regierung ist. Zu der wohl größten Demonstration am Brandenburger Tor in Berlin erschienen 25.000 Menschen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) demonstrierte mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Potsdam.

Der Kanzler hatte schon kurz nach den »Correctiv«-Enthüllungen betont, dass Menschen, die sich gegen das Grundgesetz stellen, »ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz« seien.

»Die Alternative für Deutschland ist eine gefährliche Nazipartei.«

Ministerpräsident Hendrik Wüst

Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden, unterstützt die Forderung. »Wer sich immer schon gefragt hat, warum die AfD vom Bundesverfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft wird, der hat nun eine Antwort«, so Schuster. »Dieses Treffen zeigt, welch große Gefahr von der AfD und ihren Unterstützern für unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft und unser friedliches Zusammenleben ausgeht.«

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wurde besonders deutlich: »Die AfD ist eine gefährliche Nazipartei.« Wie eng die Verbindungen zwischen Rechtsextremen und Partei-Elite sind, zeigt auch die Gästeliste: Neben Ulrich Siegmund war auch Roland Hartwig bei dem Treffen dabei. Er ist persönlicher Referent von Partei-Chefin Alice Weidel. Allerdings waren auch CDU-Mitglieder bei dem Treffen in Potsdam anwesend. Einem von ihnen aus dem Kreisverband Oberberg (NRW) droht nun der Parteiausschluss.

Debatte um ein Verbot der Partei

Die Unterstützung hochrangiger AfD-Politiker für offensichtlich verfassungsfeindliche Pläne hat auch die Debatte um ein Verbot der Partei aufflammen lassen. Doch die Hürden dafür sind hoch. Und erst 2017 scheiterte das NPD-Verbotsverfahren. Nicht aus Mangel an Beweisen für die verfassungsfeindliche Gesinnung, sondern weil es der Partei an politischer Relevanz mangelte.

Für die AfD dürfte das Problem genau andersherum gelagert sein. Die Partei ist zwar bundesweit in Umfragen mit 23 Prozent zweitstärkste Kraft, aber ihr Programm ist dem Staatsrechtler Christian Waldhoff zufolge nicht rechtsextrem. Das Parteiprogramm habe aber im NPD-Prozess eine große Rolle gespielt, schildert Waldhoff, der damals für den Bundesrat das Verbot erwirken wollte, im Interview mit dem ZDF.

Bisher gilt die AfD nur in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen als gesichert rechtsextremistisch, genauso wie bundesweit die Junge Alternative. Der Verfassungsschutz würde die Mutterpartei auch auf Bundesebene gern als Verdachtsfall einstufen. Doch die AfD klagt dagegen. Das Berufungsverfahren beginnt Ende Februar.

EU-Israel-Beziehungen

Unerwünschte Personen

Israel hat zwei Mitgliedern des Europaparlaments am Flughafen Tel Aviv die Einreise verweigert. Diese zeigten sich empört

von Michael Thaidigsmann  25.02.2025

Berlin

Angeklagte schweigen im Hamas-Prozess

Erstmals wird vier Männern wegen der mutmaßlichen Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrororganisation der Prozess gemacht

 25.02.2025

Vereinte Nationen

Israel stimmt mit USA und Russland gegen die Ukraine

Die UNO-Vollversammlung fordert ein Ende der russischen Aggression und Jerusalem stimmt dagegen. Wie kann das sein?

von Imanuel Marcus  25.02.2025

Meinung

Mit Links gegen die Staatsräson

Die Linke hat auch deshalb gewonnen, weil sie für Menschen mit antisemitischer Weltanschauung anschlussfähig geworden ist

von Murat Kayman  25.02.2025

Bundestag

So rechtsextrem ist die neue AfD-Fraktion

Der Parteirechtsaußen Maximilian Krah wurde aufgenommen, ebenso wie das selbsternannte »freundliche Gesicht des NS«, Matthias Helferich

 25.02.2025

Kommentar

Liebe Links-Wähler, wolltet ihr das wirklich?

Viele progressive Jüdinnen und Juden haben am Sonntag unter Bauchschmerzen Die Linke gewählt. Jetzt kriegen sie womöglich genau das, was sie nicht haben wollten

von Joshua Schultheis  25.02.2025

Brüssel

»Israel ist ein Gewinn für Europa«

Außenminister Gideon Sa’ar betont die Notwendigkeit einer Entmilitarisierung Gazas und hebt die Bedeutung seines Landes für Europa hervor

 25.02.2025

Berlin

Prozess gegen mutmaßliche Hamas-Mitglieder beginnt

Die Männer sollen für Waffendepots in Europa zuständig gewesen sein

 25.02.2025

Kommentar

Die Mitte zögert, die Extreme wachsen

Die künftige Bundesregierung muss bereit zu Reformen sein - und der politischen Mitte endlich wieder Leben einhauchen

von Josef Schuster  24.02.2025