Der iranische Präsident leugnet den Holocaust, immer wieder. Und er droht Juden mit der Vernichtung. Anders kann Mahmud Ahmadinedschads Aussage, Israel müsse von der Landkarte verschwinden, nicht verstanden werden. Antizionismus als neue Form des Antisemitismus.
Und was sagt das iranische Volk dazu? »Nicht Gaza, nicht Libanon – mein Leben für Iran« lautet einer der Slogans der grünen Protestbewegung. Deutlicher kann die Ablehnung der Staatsdoktrin kaum formuliert werden. Dem Regime ist es offenkundig nicht gelungen, der eigenen, unterdrückten Bevölkerung diese Vernichtungs- Ideologie einzutrichtern. Im Gegenteil. Die iranische Gesellschaft leistet Widerstand, auch wenn die Machthaber nichts unversucht lassen, Israel als »kleinen Satan« zu diskreditieren.
Nachbar Zuletzt versuchten es die Herrscher mit einer TV-Serie. Das Propaganda-Machwerk »Breite: Null Grad« lief über ein Jahr lang im iranischen Staatsfernsehen und war ein Quotenrenner mit unkalkulierten Folgen. Denn die Zuschauer schenkten nicht etwa der Verschwörungstheorie Glauben, Juden in Europa hätten mit Hitler kollaboriert, um einen zionistischen Staat zu gründen. Vielmehr begannen sie, sich intensiv für das historisch einmalige Verbrechen der Schoa zu interessieren. Die Medien tragen wesentlich dazu bei, dass die iranische Bevölkerung den Antisemitismus der herrschenden Eliten ignoriert. Mithilfe von Satellitenfernsehen und Internet können sich die Menschen selbst ein Bild davon machen, wie ihr Nachbar Israel mit seinen Bürgern umgeht: ein demokratischer Staat, der die legitimen Rechte des Volkes achtet. Genau das fordert die iranische Opposition von den Mächtigen in Teheran. Die Menschen dort wissen auch, dass die Palästinenser nur eine Chance auf wahren Frieden haben, wenn sie ihren Kampf für einen eigenen Staat friedlich führen.
Ein weiterer Grund für die gesellschaftliche Ablehnung des fanatischen Antisemitismus der Islamischen Republik ist die Vergangenheit, genauer gesagt die Purim-Geschichte. Als Esther, die Frau des Perserkönigs Xerxes, davon erfährt, dass der hohe Regierungsbeamte Haman alle Juden im Reich töten lassen will, vereitelt sie gemeinsam mit Mordechai den mörderischen Plan. Auch heute noch ist das für Esther und Mordechai errichtete Mausoleum in der Stadt Hamedan eine viel besuchte Sehenswürdigkeit. Noch eine andere Geschichte darf nicht unerwähnt bleiben: Es war der Perserkönig Kyros II., der den Juden gestattete, ihr babylonisches Exil zu verlassen und in die Heimat zurückzukehren. Und iranische Diplomaten stellten Tausenden Juden zwischen 1933 und 1945 Pässe aus, die ihnen die Flucht ermöglichten.
Minderheit Die iranische Gesellschaft ist stolz auf die zivilisatorischen Errungenschaften des Perserreiches – und auf die kulturellen, politischen und wissenschaftlichen Beiträge, die iranische Juden über Jahrhunderte hinweg für das Land geleistet haben. Umso beklagenswerter stellt sich die gegenwärtige Situation der Juden in der Islamischen Republik dar. Nach wie vor leben zwar etwa 15.000 Juden im Iran (die meisten haben das Land nach der Revolution 1979 verlassen). Zerfallene Synagogen versinnbildlichen, wie das Regime heute mit dieser religiösen Minderheit umgeht und welcher Stellenwert ihr beigemessen wird.
Antisemitismus und Holocaustleugnung – das sind Propagandawaffen des faschistischen Regimes. Das Volk lässt sich davon nicht beirren. Wäre es anders, müsste sich zum Beispiel der Dichter Ezra Pound großer Beliebtheit erfreuen. Der war nämlich ein Judenfeind. Doch gerade die junge Generation im Iran verschlingt die Bücher eines anderen, wirklich großen Schriftstellers: Franz Kafka.