Counter Speech

Gegen den Hass

Bundesjustizminister Heiko Maas (l.) mit Facebook-Manager Richard Allen am 14. September in Berlin Foto: dpa

Hetze auf Facebook ist nichts Neues. Als die israelische Armee 2010 ein Schiff der sogenannten Gaza-Flottille stürmte, die Mavi Marmara, konnte man beobachten, wie im Sekundentakt antisemitische Posts veröffentlicht wurden. Die meisten davon hätten Ermittlungsverfahren nach sich ziehen sollen – die Strafverfolgungsbehörden wären über Jahre ausgelastet gewesen. Solcher Hass verbreitete sich auch im Laufe des Gaza-Krieges 2014 im vergangenen Sommer, er ist aber auch im Zusammenhang mit der jüngsten Flüchtlingswelle in Deutschland wieder offensichtlich geworden. Bundesweit bekannt wurde insbesondere der Fall eines Berliner Paketausträgers, der den auf einem Foto festgehaltenen Tod des syrischen Flüchtlingsjungen Aylan per Facebook-Status feierte.

Dass die Verantwortlichen bei Facebook diesen Post und Ähnliches zunächst nicht löschten, beförderte die Diskussion um den richtigen Umgang mit menschenverachtenden Darstellungen auf diesem Portal. Justizminister Heiko Maas rief unlängst per Twitter Facebook dazu auf, mit ihm »zu reden«. Infolgedessen kam es zu einem Gespräch zwischen dem Minister und den Verantwortlichen des Netzwerkes. Der Zentralrat der Juden in Deutschland begrüßte dies. Unmittelbar darauf veröffentlichte dieser eine Erklärung, in der er darauf hinwies, dass »sich Hass und Hetze im Internet fast ungehindert verbreiten« könnten – worauf der Zentralrat seit Jahren aufmerksam mache.

meinungsfreiheit Welche konkreten Folgen die Unterredung zwischen dem Minister und den Vertretern von Facebook haben wird, ist unklar. Facebook gab bei der Forderung, dass ausreichend Moderatoren eingesetzt und Hassposts schnell und nachhaltig gelöscht werden sollen, zumindest momentan nicht nach. Man bekannte sich aber dazu, sich bestehenden Initiativen gegen den Hass im Netz anzuschließen, auf Einladung des Justizministeriums eine Taskforce zum Thema einzurichten und eine Kampagne zur Förderung von »counter speech«, also zur Gegenrede, zu initiieren.

Bei der Frage, wie im Internet mit Hass umgegangen werden soll, zeichnete sich ein unterschiedliches Verständnis der Grenzen von Meinungsfreiheit ab. Zwar wird diese durch das Grundgesetz garantiert, zugleich gibt es klare Schranken, wenn es um Volksverhetzung geht. Diese Rechtslage unterscheidet sich von derjenigen in den USA – wo Facebook seinen Hauptsitz hat und wo die Leugnung der Schoa oder die öffentliche Verwendung von Hakenkreuzen straffrei ist. Facebook beruft sich auf dieses amerikanische Verständnis.

rechtskulturen
Doch unabhängig von unterschiedlichen Rechtskulturen kann sich die Debatte auch aus anderen Gründen nicht alleine in der Frage erschöpfen, was gelöscht werden soll und was nicht. So ließe sich argumentieren, dass die Bekämpfung von Antisemitismus, Rassismus und anderen Formen von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit nicht in erster Linie darin besteht, bestimmte Äußerungen zu verfolgen. Freiheit, die sich alleine in Abwehrgefechten erschöpft, kann langfristig nicht bestehen.

Auch geht es um die Rolle des Staates. Die Verfolgung von Straftaten ist Aufgabe der Staatsanwaltschaft und nicht anonym agierender Moderatoren. Daher ist es auch wichtig, Fälle von antisemitischen Hass-Posts zur Anzeige zu bringen. Wenn ein Beitrag jedoch strafrechtlich nicht relevant ist, stellt sich die Frage, ob Private bestimmen dürfen, was geäußert und gezeigt werden kann und was nicht. Facebook wird schon jetzt für das konsequente Löschen bei der Darstellung bestimmter Körperteile kritisiert, nur weil diese in anderen Teilen der Welt den dortigen Moralvorstellungen widersprechen.

Zwar handelt es sich bei Facebook um eine private Firma, aber diese nimmt großen Einfluss auf den politischen Willensbildungsprozess. Es sollte also im staatlichen Interesse sein, dass Moderatoren nicht Polizei und Gerichte ergänzen oder gar ersetzen wollen.

counter speech Eher kann die Förderung von »counter speech« eine Alternative sein. Bei der Counter Speech geht man bewusst auf Redewendungen ein, die durch Ressentiments und Vorurteile geprägt sind: nicht durch Polemik, sondern durch unaufgeregte und klare Argumentation, die den diskriminierenden Post ins Leere laufen lässt. Diese Counter Speech kann auch der Stärkung von Minderheiten dienen, denn ihnen wird öffentlich gezeigt: »Ihr seid nicht alleine.«

Jedoch braucht es ein Gespür dafür, wie antisemitische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen erkannt werden können – damit ihnen erfolgreich begegnet werden kann. Hier gibt es verbreiteten Aufklärungsbedarf. Es ist daher sinnvoll, wenn Aufklärung über Antisemitismus und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit mit dem Aufzeigen von Handlungsstrategien Hand in Hand gehen. Handreichungen, wie sie beispielsweise von der Amadeu Antonio Stiftung oder netz-gegen-nazis.de zur Verfügung gestellt werden, können hier sehr hilfreich sein.

Der Vorteil: Zum einen wird langfristig dem Hass im Netz entgegengewirkt. Zum anderen wird ein Lerneffekt erzielt, der nicht nur im virtuellen Netz, sondern auch in der Realität Früchte trägt.

Meinung

Es gibt kein Weihnukka!

Ja, Juden und Christen wollen und sollen einander nahe sein. Aber bitte ohne sich gegenseitig zu vereinnahmen

von Avitall Gerstetter  20.12.2025

Faktencheck

Berichte über israelischen Pass Selenskyjs sind Fälschung

Ukrainische Behörden ermitteln wegen hochrangiger Korruption. Doch unter diesen Fakten mischen sich Fälschungen: So ist erfunden, dass bei einer Razzia ein israelischer Pass Selenskyjs gefunden wurde

 20.12.2025

Analyse

Ankaras Machtspiele

Manche befürchten schon einen »neuen Iran«. Warum Israel die Türkei zunehmend als Bedrohung wahrnimmt

von Ralf Balke  20.12.2025

Bundestag

Zentralrat verteidigt Weimers Gedenkstättenkonzept

Der Ausschuss für Kultur und Medien hörte Experten zu der Frage an, ob über den Holocaust hinaus auch andere Verbrechen Teil der deutschen Erinnerungskultur sein sollen

 19.12.2025

Frankreich

Drei Jahre Haft für antisemitisches Kindermädchen

Ein französisches Gericht hat eine Algerierin zur einer Gefängnisstrafe verurteilt, weil sie einer jüdischen Familie Reinigungsmittel ins Essen, Trinken und die Kosmetika mischte

 19.12.2025

Berlin

Bericht über Missbrauch internationaler Hilfe durch Hamas im Bundestag vorgestellt

Olga Deutsch von der Organisation NGO Monitor sagt, während die Bundesregierung über Beiträge zum Wiederaufbau Gazas berate, sei es entscheidend, auf bestehende Risiken hinzuweisen

von Imanuel Marcus  19.12.2025

Meinung

Heute Juden, morgen Christen

Judenhass führt konsequent zum Mord. Dafür darf es kein Alibi geben

von Rafael Seligmann  19.12.2025

Tel Aviv/Berlin

Israel unterzeichnet weiteren Vertrag mit Deutschland über Raketenabwehr

Es handelt sich um das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte des jüdischen Staates

 19.12.2025

Sydney/Canberra

Nach Terroranschlag von Bondi Beach: Australien plant nationalen Trauertag

Die Regierung kündigt zudem umfassende Maßnahmen an. Dazu gehört eine landesweite Rückkaufaktion für Schusswaffen

 19.12.2025